Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)
möglichst gering zu halten. Das beim Launch von GreenXchange angeführte Beispielszenario hätte Stephen Jay Goulds Herz höher schlagen lassen: Nike entwickelt einen umweltfreundlichen Gummi für seine Laufschuhe, den ein Mountainbike-Hersteller zur Produktion nachhaltiger Reifen verwenden kann. Offensichtlich funktioniert Goulds Reifen-zu-Sandalen-Prinzip in beide Richtungen: Reifen lassen sich als Schuhe wiederverwenden, und Schuhe als Reifen. So gesehen versucht GreenXchange, Weltkonzernen dieselbe Freiheit zu verschaffen, die Goulds Sandalenmacher in Nairobi schon immer hatten.
Eine andere Technik, mit der Firmen versuchen Serendipität zu erzeugen, ist das von dem Werbefachmann Alex Osborn in den 1930ern entwickelte Brainstorming. Brainstorming war dazu gedacht, den Ideenfluss stärker zu fördern als das in den strenger reglementierten Geschäftsbesprechungen möglich ist. Neuere Studien legen jedoch nahe, dass Brainstorming weit weniger effektiv ist als seine Anwender es sich wünschen. Ein Schwachpunkt liegt in der räumlichen und zeitlichen Beschränkung: Eine Gruppe Menschen kommt für eine Stunde oder vielleicht auch einen ganzen Tag in einem Raum zusammen, es werden spannende Ideen ausgetauscht, dann ist alles auch schon wieder vorbei. Manchmal kommt etwas Nützliches dabei heraus, aber allzu oft treten die relevanten Ahnungen zeitlich zu versetzt auf. Ein Mitarbeiter hat eine vielversprechende Idee, und zwei Monate später findet ein anderer unabhängig davon das fehlende Glied, mit dem sich dieIdee verwirklichen lassen würde. Beim Brainstorming könnten sich die beiden Fragmente möglicherweise zusammenfügen, aber die Chancen dafür stehen eher schlecht. Stellen wir uns eine alternative Realität vor, in der das FBI im August 2001 zu einer Art Vollversammlung lädt. Agenten aus dem ganzen Land kommen zu einem Brainstorming über mögliche neue Bedrohungsszenarien zusammen. Es könnte die erste Vollversammlung überhaupt werden, die den Lauf der späteren Geschichte beeinflusst. Aber bei über 10.000 Mitarbeitern ist die Wahrscheinlichkeit astronomisch gering, zur richtigen Zeit die richtigen Agenten im richtigen Raum zusammenzubringen. Hätte das FBI statt mit dem altertümlichen Automated Case Support-System mit einem intelligenten Archiv à la DEVONthink gearbeitet, hätten die Chefs der Radical Fundamentalist Unit einer Durchsuchung von Zacarias Moussaouis Laptop zwar nicht automatisch stattgegeben. Doch schon eine kurze Suchanfrage hätte sie auf das Phoenix-Memo gebracht, und die beiden vagen Ahnungen aus Phoenix und Minnesota hätten sich verknüpfen können. Die betreffenden Agenten hätten nicht einmal miteinander sprechen müssen, geschweige denn sich im selben Zimmer zum gemeinsamen Brainstorming einfinden.
Das Geheimnis von Inspiration innerhalb einer Organisation liegt darin, Informationsnetzwerke einzurichten, die Ahnungen am Leben erhalten, ihnen gestatten sich zu verteilen und neu zu kombinieren. Statt Ahnungen in Brainstorming-Sessions und Entwicklungsabteilungen zu kasernieren, braucht es eine Umgebung, in der das Brainstorming ununterbrochen im Hintergrund läuft, und das in der gesamten Organisation: eine Kollektiv-Version des 20-Prozent-Programms, mit dem Google und 3M so große Erfolge erzielt haben. Eine Möglichkeit hierzu wäre, eine offene Datenbank für Ahnungen einzurichten, eine Web 2.0 Version des altbekannten Ideenbriefkastens. Eine solche Datenbank würde jeden flüchtigenGeistesblitz für jeden Mitarbeiter sichtbar machen, nicht nur für das Management. Kollegen könnten ihre Meinung dazu äußern oder den Eintrag um eigene Ideen erweitern, sei es zu neuen Produkten, zur Schwerpunktsetzung für das nächste Quartal oder zu einer internen Umstrukturierung. Manche Systeme ermöglichen den Mitarbeitern sogar, die Vorschläge ihrer Kollegen zu bewerten – ganz ähnlich den User-Rankings bei Internetdiensten wie Digg und Reddit.
Bei Google gibt es einen firmenweiten E-Mail-Verteiler, über den Angestellte neue Features und Produkte vorschlagen können. Jeder dieser Vorschläge kann auf einer Skala von 0 (»schlecht oder gar gefährlich«) bis 5 (»Spitze! Weiter so«) bewertet werden. Auf der Homepage von Salesforce.com findet sich das beliebte Portal Idea Exchange, Kunden können dort anregen, was sie sich vom nächsten Software-Produkt der Firma wünschen. Das Portal ermöglicht außerdem, die Entwicklung dieser Anregungen zu verfolgen. Auf der Startseite befinden
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