Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)
für uns alle – für Bürger und Aktivisten genauso wie für Unternehmer.
Das Interessante daran ist, dass diese historische Gelegenheit sich unseren Regierungen nicht zuletzt aufgrund einer Innovation bietet, die sie selbst auf uns losgelassen haben: das Internet, daszugleich vielleicht das beste Beispiel dafür ist, wie Innovation aus marktorientiertem und nicht marktorientiertem Sektor sich gegenseitig ergänzen kann. Die generative Plattform Internet (und das World Wide Web) haben einen Raum geschaffen, in dem in den letzten 30 Jahren enorm viel Geld gemacht wurde, aber die Plattform selbst wurde von einem lockeren, über die gesamte Welt verteilten Zusammenschluss aus Informationstechnikern erschaffen, zum großen Teil finanziert von der Regierung der USA. Es gibt eben nicht nur gute Ideen, sondern auch gute Ideen, die es umso leichter machen, weitere gute Ideen zu haben. YouTube war eine gute Idee, die erst durch die noch besseren Ideen Internet und World Wide Web möglich wurde. Die Tatsache, dass diese innovationsfreudigen Plattformen außerhalb des kommerziellen Sektors entwickelt wurden, ist kein Zufall. Auch proprietäre Plattformen können sich mit Erfolg weiterentwickeln – Microsoft Windows wäre ein Beispiel oder Apples iPhone –, aber das sind Ausnahmen. Generative Plattformen brauchen die Innovationsmuster, die wir in den vorangegangenen Kapiteln gesehen haben. Sie müssen Räume erschaffen, in denen Ahnungen, Serendipität, Exaptation und Recycling gedeihen können. Solche Plattformen lassen sich auch hinter hohen Mauern erschaffen, aber auf Gemeingrund sind wir damit viel, viel besser dran.
Vielleicht ist »Gemeingrund« auch das falsche Wort für die Art Umgebung, nach der wir suchen. Das hat zwei Gründe: Zum einen wird es meist gebraucht, wenn es darum geht, Wettbewerb und Marktwirtschaft zu widerlegen. Die einstigen Gemeingründe des ländlichen England verschwanden bereits im 17. und 18. Jahrhundert. Sie wurden von den im Zuge des Agrarkapitalismus aufkommenden Privatgütern verdrängt. In den innovativen Umgebungen, die wir kennengelernt haben, kann zwar durchausWettbewerb stattfinden, auch Profit kann erzielt werden. Was bei der Metapher »Gemeingrund« jedoch unter den Tisch fällt, sind Werkzeuge wie Recycling, Exaptation und Neukombination, die für Innovationsräume so wichtig sind. Wenn wir an Gemeingrund denken, stellen wir uns zumeist eine Wiese vor, auf der irgendeine Futterpflanze für Vieh wächst, aber kein Ökosystem. Gemeingrund ist monokulturelles Grasland, kein wucherndes Ufergestrüpp, wie Darwin es beschrieb.
Ich bevorzuge ein anderes Bild aus der Natur: das Riff. Man braucht ein Korallenriff (oder auch einen Regenwald) nur ein paar Minuten lang zu betrachten, um zu sehen, wie heftig dort der von Darwin geschilderte Wettbewerb um die Ressourcen tobt. Aber dieser Wettbewerb ist nicht der Grund für die überwältigende Vielfalt. Der Kampf ums Überleben ist in der Natur allgegenwärtig. Die wenigen Lebewesen in der Wüste kämpfen genauso verbissen wie die Bewohner eines Korallenriffs. Was die Riffbewohner so erfinderisch macht, ist nicht der Wettstreit zwischen ihnen, sondern die Art, wie sie zusammenarbeiten. Korallen, Zooxanthellen und Papageienfische, sie alle borgen voneinander und erfinden neu, was der andere zuvor erarbeitet hat. Und das ist auch die Antwort auf Darwins Paradoxon: Riffe konnten so viele Türen zum Nächstmöglichen aufstoßen wegen der Art, wie seine Bewohner teilen.
Riffe helfen uns auch, die Frage zu beantworten, vor der wir am Beginn dieses Buches standen. Was macht Großstädte und das World Wide Web so innovativ? Beides sind Umgebungen, in denen die wichtigste aller Ressourcen unweigerlich weitergegeben, neu verknüpft und kombiniert wird: Information. Wie das Web bietet auch die Stadt eine Plattform, auf der Handel zwar möglich ist, die selbst aber außerhalb des Marktes steht. Jeder kann dort seinen Geschäften nachgehen, aber die Stadt selbst gehört allen. »Stadtluft macht frei«, wie das alte Sprichwort sagt. Ideen entwickeln sich,prallen aufeinander und verbinden sich neu, von den Vormietern verlassene Gebäude bieten Raum für neue Geschäftsmodelle, informelle Begegnungsstätten ermöglichen Vertretern verschiedenster Disziplinen, voneinander zu lernen. Das sind die Räume, die seit jeher Innovation fördern, angefangen von den ersten menschlichen Siedlungen in Mesopotamien vor 8000 Jahren bis hin zu den unsichtbaren
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