Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)
wir Idee nennen, die ein Einzelner nur so lange exklusiv für sich beanspruchen kann, wie er sie für sich selbst behält. In dem Moment jedoch, da sie enthüllt wird, drängt sie sich gleichsam in den Besitz aller, und der Empfänger kann sich ihrer nicht entledigen. Auch gehört es zu ihrem eigentümlichen Charakter, dass ein Einzelner sie nicht weniger besitzt, nur weil andere sie ebenfalls besitzen. Wer auch immer eine Idee von mir empfängt, empfängt die ihr innewohnende Inspiration, ohne die meine zu schmälern, genauso wie jemand, der seine Kerze an der meinen entzündet, mich dadurch nicht in Dunkelheit hüllt. Dass Ideen sich frei über den Globus von einem zum anderen verbreiten sollen, zur moralischen und gegenseitigen Erziehung des Menschen und zur Verbesserung seiner Lebensumstände, scheint genauso eigentümlicherwie glücklicher Weise von der Natur so eingerichtet worden zu sein, als sie sie erschuf. Wie Feuer, das sich ungehindert ausbreitet ohne unterwegs an Kraft zu verlieren, wie die Luft, die wir atmen, in der wir uns bewegen und in der wir existieren, die man weder einsperren noch persönlich in Besitz nehmen kann, können auch Erfindungen ihrem ureigensten Wesen nach niemals Eigentum sein.«
Ideen, so Jefferson, gehören ihrem Wesen nach zum vierten Quadranten. Der natürliche Zustand einer Idee ist der Fluss, der Spillover und die Verknüpfung. Es ist die Gesellschaft, die Ideen Ketten anlegt.
Bedeutet das, wir sollten geistiges Eigentum abschaffen? Natürlich nicht. Aus der Erfolgsgeschichte des vierten Quadranten folgt nicht, dass Patente aufgehoben und alle Formen von Innovation ab sofort ungeschützt sein sollten. Was wir aber gesehen haben, ist: Das Credo, dass ohne die durch geistiges Eigentumsrecht erzeugte künstliche Verknappung Innovation zum Stillstand kommen würde, ist schlichtweg falsch. Viele nachvollziehbare Gründe sprechen dafür, innovativen Menschen, Firmen und Organisationen durch Gesetze zu erleichtern, dass sie von ihren Schöpfungen profitieren. Als Gesellschaft haben wir jedes Recht, uns auf den Standpunkt zu stellen, ein Individuum verdiene es ganz einfach, von seiner guten Idee zu profitieren. Also brauchen wir ein wenig künstliche Verknappung, um diesen Profit sicherzustellen. Ich gehöre selbst zu den Menschen, die mit dem Erarbeiten von geistigem Eigentum ihren Lebensunterhalt verdienen, und bin für dieses Argument mehr als empfänglich. Es ist jedoch etwas völlig anderes, zu behaupten, die Restriktionen selbst würden auf Dauer für Innovation sorgen.
Wie Lawrence Lessig so überzeugend gezeigt hat, ist nichts »Natürliches« an der durch geistiges Eigentumsrecht herbeigeführten künstlichen Verknappung. Die betreffenden Gesetze wurdenvon Menschen erdacht, sie stellen einen willentlichen Eingriff dar, und sie werden so gut wie ausschließlich von Kräften durchgesetzt, die außerhalb der Märkte stehen. Das Argument, das Jefferson in seinem Brief an McPherson anführt, lautet: Wenn wir uns die Frage stellen, welches System »natürlicher« ist, sticht der freie Fluss von Ideen das Patentrecht und die damit herbeigeführte künstliche Verknappung locker aus. Im Gegensatz zu Nahrung und Rohstoffen sind Ideen vom Wesen her selbstreproduzierend. Man muss Dämme bauen, um ihre Verbreitung zu verhindern.
Meiner Meinung nach ist die wichtigste Frage unserer Zeit, wie es den großen Organisationen – seien sie staatlich oder privat, seien es Regierungen oder Konzerne – gelingen kann, die Innovationsmechanismen des vierten Quadranten besser zu nutzen. Was die wirtschaftliche Seite betrifft, hat der Erfolg von Firmen wie Google, Twitter und Amazon (die alle auf ihre Art sowohl zur Innovationskraft des vierten Quadranten beigetragen als auch von ihr profitiert haben) gezeigt, was sich mit ein bisschen Offenheit zumindest in der Softwarewelt erreichen lässt. Ich denke, es wird sich gar nicht verhindern lassen, dass diese Beispiele in den nächsten Jahren Schule machen. Was mich jedoch mehr interessiert, ist der öffentliche Sektor, und zwar deshalb, weil Regierungen und andere nicht marktorientierte Institutionen schon viel zu lange unter einer durch zu viel Bürokratie verursachten Innovationskrise leiden. In der heutigen Zeit bietet sich ihnen die Gelegenheit, die Art, wie sie gute Ideen kultivieren und verbreiten, grundlegend zu ändern. Je mehr unsere Regierungen sich als offene Plattformen begreifen anstatt als zentrale Verwaltungsapparate, desto besser
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