Wo immer Du bist, Darling
es passieren, dass du über Pakete steigen musst, wenn du zur Haustür kommen willst«, scherzte sie.
»Ich bin sowieso ein sportlicher Mensch. War Lars etwa allein da?«
Anja stutzte. »Warum?« Die Art, wie Carolin bezeichnend eine Augenbraue hob, ließ sie frustriert aufstöhnen. »Sag mal, wissen hier eigentlich alle Bescheid ?«
»Ja, alle, außer dir anscheinend. Zumindest bis jetzt.«
»Hast du etwa auch schon mit Lars gesprochen?« Sie bekam fast den Mund nicht mehr zu. War die Sache denn so offensichtlich gewesen?
»Nein, aber ich habe durchblicken lassen, dass er auf verlorenem Posten kämpft. Langsam kannst du eine Liste der Abgewiesenen erstellen. Erst Richard, dann Markus, jetzt Lars …«
»Was soll ich denn bitte tun? Soll ich mir vielleicht ein Schild mit ‚schon vergeben‘ auf die Stirn tackern?«
Carolin sah sie grinsend an. »Vielleicht hilft’s ja.«
Deutschland, Heidelberg, 25.07.2012, 20:10 Uhr
Sie brauchten auch drei Monate später noch keine Schaufel, um bis zur Eingangstür zu gelangen. Allerdings hatten sie zwischenzeitlich einen Korb für den Paketdienst bereitgestellt. Seit der Aufnahme von Anjas Adresse in den Vereinsdaten fand ein stetig wachsender Strom an Zusendungen seinen Weg zu ihrer Wohnung.
Nach einem Besuch im Ägyptischen Museum Heidelberg schloss sie mit Adrian an der Hand die Haustür auf und entdeckte den bis zum Rand gefüllten Weidenkorb auf dem Sofatisch. Offenbar hatte Carolin ihn bereits in die Wohnung getragen.
Anja schlüpfte aus ihren Ballerinas und nahm ihrem Sohn den Rucksack ab. Er war fleißig durch das gesamte Tiergehege spaziert und musste dementsprechend müde sein. Trotzdem linste er neugierig in Richtung der Päckchen. Sie schüttelte den Kopf. »Nicht mehr heute Abend, Schatz. Ich hebe dir ein paar auf. Die darfst du morgen gleich nach dem Frühstück aufmachen.«
Er nickte. »Okay.«
Anja verwuschelte ihm die dunklen Locken. Ja, er musste wirklich todmüde sein, wenn er so kampflos aufgab. Behutsam bugsierte sie ihn zum Badezimmer.
Carolins Zimmertür öffnete sich und ihre Freundin winkte ihnen, das Telefon ans Ohr geklemmt, zur Begrüßung zu. Anja wiederholte die Geste und stellte Adrian unter die Dusche.
Als sie ihn wenig später zu Bett gebracht hatte und ins Wohnzimmer zurückkehrte, telefonierte Carolin immer noch. Anja hörte ihre Stimme durch die angelehnte Tür und schmunzelte, denn das konnte nur bedeuten, dass ihre Freundin mit Oliver sprach. Offenbar beratschlagten die beiden ein letztes Mal, welche der infrage kommenden Wohnungen sie in Berlin nun kaufen sollten. Vor zwei Monaten hatte sich Caro endlich ein Herz gefasst und beschlossen, mit Oliver zusammenzuziehen. Vermutlich lag dieser Entscheidung auch ein wenig die Tatsache zugrunde, dass die beiden mit ihren Flugtickets inzwischen das Wohnzimmer neu hätten tapezieren können … zweimal.
Leise vor sich hinsummend steuerte Anja den Korb mit den Päckchen an. Wenn sie daran dachte, was Oliver ihr bei seinem letzten Besuch verraten hatte, wurde ihr ganz warm ums Herz. Er wollte nach dem Zusammenziehen einen Anlauf starten, Carolin zu einer Heirat zu überreden. Nach fast fünf Jahren Beziehung hatte dieser Wunsch durchaus seine Berechtigung, selbst wenn man ihrer Freundin zugutehalten musste, dass sie nach den schrecklichen Erfahrungen in der Ehe mit Stefan vorsichtig geworden war.
Anja war schon gespannt, wie Oliver diese Herkulesaufgabe bewältigen würde. Zum Glück besaß er eine beachtliche Ausdauer.
Lächelnd kippte sie den Inhalt des Korbes auf den Sofatisch und legte sofort drei Päckchen, die der Form nach nur Spielzeug enthalten konnten, für Adrian beiseite. Manchmal konnte sie es kaum glauben, welche Unmengen an Medikamenten und Spielwaren die Menschen horteten, zum Vorteil ihrer Organisation.
Es erfüllte sie mit tiefer Freude, etwas Sinnvolles mit den Spenden bewirken zu können. Aufgrund Carolins fundierter Kenntnisse versorgten sie mit ihren Hilfsgütern im Wesentlichen bedürftige Länder in Afrika.
Die einst kleine Organisation war in den letzten Wochen noch einmal kräftig gewachsen und beschäftigte nun zehn Personen. Petra betreute die Aufgaben rund um die Öffentlichkeitsarbeit, Lars begleitete mittlerweile die Hilfslieferungen. Um die beiden etwas zu entlasten, kümmerte sich Anja neben der Bestandsaufnahme von Arzneimitteln und Spielsachen seit Kurzem auch um die Finanzen.
Sie war heilfroh, dass Lars inzwischen von seiner Mission,
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