Wo immer Du bist, Darling
abgedruckten Namen vor und sah Anja fragend an. »Du bist doch Krankenschwester, brauchen wir den ganzen Kram denn?«
Anja zuckte mit den Schultern. »Also, ich nehme das nicht. Viele Medikamente werden nur vorsorglich verabreicht.«
Petra zuckte ebenfalls mit den Schultern. »Dann schließe ich mich dem gern an.« Sie gab die für sie vorgesehene Schachtel Lars, der sie ungerührt einsteckte.
Anja blickte die Geschwister fragend an.
»Wir sammeln Medikamente und schicken sie in Not leidende Länder«, erklärte Petra.
»Das finde ich wirklich toll.« Ohne zu zögern, hielt sie Lars ihre Schachteln ebenfalls hin. »Wie oft habe ich schon gedacht, dass es Verschwendung ist, angebrochene Packungen wegzuwerfen. Wie lange macht ihr das schon?«
Lars antwortete. »Seit knapp fünf Jahren. Wir starten immer mal wieder einen Aufruf in den Medien und bekommen alles an Pillen und ähnlichen Dingen, was die Leute nicht mehr brauchen. Es arbeiten auch einige Ärzte bei uns, die die Medikamente kontrollieren und absegnen. Dann verschicken wir sie.«
Anjas Begeisterung nahm von Minute zu Minute zu. In der nächsten Stunde unterhielten sie sich angeregt über die wohltätige Arbeit der beiden.
Als sich Lars verabschiedete, wusste Anja, dass sie sich ebenfalls an dieser Aktion beteiligen würde. Aufgrund ihrer Tätigkeit als Krankenschwester hatte sie Kenntnis davon, dass es in jeder Klinik enorme Restbestände gab. Irgendwie musste es mithilfe der zuständigen Kollegen doch möglich sein, diese sinnvoll zu nutzen. Dass Petra zu bedenken gab, wie wenig der Pharmaindustrie ihre Arbeit gefiel, schreckte sie nicht ab. Sie war schon immer bereit gewesen, für eine gute Sache zu kämpfen.
Gesagt, getan. Eine halbe Woche später ging sie mit Adrian auf dem Arm zur Leiterin des Medikamentenlagers der Klinik. Das Gespräch dauerte fast eine Stunde und ihr Sohn war schon lange auf ihren Armen eingeschlafen, bis sie es mit fundierten Argumenten endlich geschafft hatte, die Frau zu überzeugen.
Am nächsten Tag durfte sie das Krankenhaus verlassen.
Begleitet von Marlene und Carolin schritt sie aus der Klinik.
Sie wurden schon von Oliver erwartet, der wieder zu Besuch in Heidelberg eingetroffen war und dieses Mal mit Anjas und Carolins Auto vor dem Eingang geparkt hatte.
19.
Allerlei Päckchen
Deutschland, Heidelberg, 13.04.2012, 19:40 Uhr
A nja verfolgte gespannt, wie Adrian eine Karte nach der anderen zu einem Turm stapelte. Manchmal konnte sie nicht glauben, dass ihr Sohn schon bald vier Jahre alt werden würde. Es kam ihr wie gestern vor, seit sie ihn das erste Mal im Krankenhaus auf dem Arm gehalten hatte. Er sah Ramon jeden Tag ähnlicher, von den tiefblauen Augen einmal abgesehen, die er, Carolins Prognose entsprechend, eindeutig von ihr geerbt hatte.
Wie üblich wirkten seine tiefschwarzen Locken wild zerzaust. Heute lag das daran, weil er den halben Nachmittag mit Marlene und Wolfgang durch deren Garten getobt war. Dankbar dachte sie daran, wie tatkräftig ihr das Ehepaar seit Adrians Geburt zur Seite gestanden hatte. Deshalb wunderte es auch niemanden, dass ihr Sohn die beiden längst als »Oma und Opa« bezeichnete.
Die nächste Karte landete auf dem Turm. Anja hob beeindruckt die Augenbrauen, weil der Stapel nicht einmal ins Wanken geriet. Es war schon fast unheimlich, wie hoch Adrians Papierbauten wuchsen, ehe sie der Schwerkraft zum Opfer fielen. Genau wie Ramon besaß er eine legendär ruhige Hand und ließ sich bei einer Aufgabe nicht aus der Ruhe bringen. Anja lächelte. Nun ja, fast nicht. Er liebte es, Päckchen zu öffnen. Sobald sie mit einem Schwung davon die Wohnung betrat, geriet alles andere in Vergessenheit.
Durch ihre Tätigkeit in der Hilfsorganisation von Petra und Lars brachte sie des Öfteren welche mit. Sie hatten die Organisation mittlerweile neben den Medikamenten auch auf das Sammeln und Verschicken von Spielsachen ausgedehnt. Genau dafür interessierte sich Adrian, auch wenn er wusste, dass sie nicht für ihn bestimmt waren.
Sie hatte es sich angewöhnt, schon im Vorfeld die Päckchen auszusortieren, die erwartungsgemäß Medikamente enthielten. Obwohl sie mit ihrem Sohn oft darüber gesprochen hatte, wie wenig sich Medikamente zum Spielen eigneten, minimierte sie auf diese Weise zusätzlich das Risiko.
Ein kurzer Blick auf die Uhr bestätigte ihr, dass es langsam Zeit zum Schlafengehen für ihn wurde. Geduldig wartete sie, bis der Turm sein jähes Ende fand, dann
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