Wo immer Du bist, Darling
aufhielt.
Das Glück blieb ihnen gewogen, denn das Wetter stabilisierte sich. Als der Nachmittag schon beinahe in die Dämmerung überging, blieb Ramon plötzlich stehen und fixierte mit zusammengekniffenen Augen eine Ansammlung von Büschen wenige Meter vor ihnen. Anja sah ihn alarmiert an, sprach aber vorsichtshalber kein Wort.
»Da vorn ist irgendwas«, erklärte er nach einigen Sekunden flüsternd. »Bleib hier und geh mir nicht nach, bevor ich es dir sage. Egal, was passiert. Hörst du?«
Sie nickte stumm. Ramon drückte kurz ihre Hand, ließ sie los und schlich, jeden Laut vermeidend, allein weiter.
Ohne sagen zu können, warum, waberte ein ungutes Gefühl durch ihren Magen. Angespannt sah sie ihm nach.
Vorsichtig, das Gewehr griffbereit in der Hand, ging Ramon immer weiter. Er entfernte sich fast zwanzig Schritte von ihr, lauschend, wachsam, als hätte auch er eine undefinierbare Ahnung.
Plötzlich geschah es. Keine drei Meter neben ihm brach ein riesiger Grizzlybär aus dem Dickicht.
Ramon schaffte es noch, sich in einer rasanten Bewegung umzudrehen und das Gewehr hochzureißen, aber für einen gezielten Schuss blieb ihm keine Zeit mehr. Im Bruchteil von Sekunden schlug der Bär mit seinen mit tödlichen Krallen gespickten Tatzen nach ihm.
Ramon hechtete zur Seite, konnte aber nicht verhindern, dass der Angriff das Gewehr traf. Die brutale Kraft des Schlages riss ihn nicht nur von den Beinen, sondern fegte auch die Waffe meterweit aus seiner Reichweite. Flink rollte er sich ab, schnellte in einer einzigen Bewegung wieder in die Senkrechte und hatte dabei schon das Messer aus dem Gürtel gezogen.
Anja blieb vor Schock die Luft weg. Völlig fassungslos beobachtete sie, wie das grauenvolle Tier erneut versuchte, Ramon in die Zange zu nehmen. Er sprang leichtfüßig zurück, entkam nur um Haaresbreite der enormen Reichweite der Pranken. Wieder und wieder entwischte er den unablässigen Attacken des Bären, wobei er mit geschmeidigen Kreisbewegungen versuchte, das Messer in eine günstige Position zu bringen.
Die Szenerie spulte sich wie der furchtbarste Albtraum vor Anja ab. Hilflos fahndete sie nach einer Möglichkeit, das Gewehr zu erreichen. Sie rannte einige Schritte nach links, dann nach rechts, bevor sie begriff, dass nur der Weg mitten durch den Kampf zur Waffe führte.
*
Ramon federte rückwärts, als der Bär einen Schritt auf ihn zutobte. Der Luftzug eines weiteren Schwingers streifte sein Hemd. Knapp, aber noch vorbei. Geübt wechselte er das perfekt austarierte Messer in die andere Hand, während er unablässig nach einer Angriffsfläche für seine Klinge suchte.
Im Augenblick richteten sich die Attacken des Bären nur gegen ihn. Noch hatte er Anja, die in viel zu geringer Entfernung hin und her lief, nicht entdeckt. Er musste tunlichst dafür sorgen, dass es dabei blieb. Konzentriert lockte er das Tier von ihr weg.
Der Bär folgte ihm und auf einmal ging alles erschreckend schnell. Ramon rutschte beim Zurückweichen auf nassem Laub aus. Geistesgegenwärtig rettete er sich mit einem raschen Schritt. Die Verzögerung kostete ihn zwar kaum Kraft, dafür aber all seinen Vorsprung.
Ein heftiger Ruck an seinem rechten Oberschenkel katapultierte ihn zur Seite, gleichzeitig explodierte scharfer, gleißender Schmerz in seinem Körper. Er traf hart auf dem Waldboden auf und drehte sich mit zusammengebissenen Zähnen sofort auf den Rücken.
Anjas Schrei gellte durch den Wald. Aus den Augenwinkeln sah er, dass sie panisch auf ihn zustakste. Nein! Seine Eingeweide verkrampften sich vor Angst.
» Anja, lauf weg! Bring dich in Sicherheit!« Noch während er die Worte in ihre Richtung rief, schob er sich mithilfe seines gesunden Beins außer Reichweite des drohend vor ihm aufragenden Bären. Ein kurzer Blick auf die Wunde stülpte ihm den Magen um. Die Krallen hatten tiefe, zerfetzte Furchen hinterlassen, aus denen jede Menge Blut quoll. Nach nur wenigen Bewegungen war seine Hose blutdurchtränkt und die Schmerzen steigerten sich zu einem schier unerträglichen Pochen.
Ramon sah dem Grizzly direkt in die Augen. Er hatte zwar sein Messer noch, aber die Schwere seiner Verletzung reduzierte seine Chancen auf null. Der Bär musste das ebenfalls spüren. Er schien förmlich zu wittern, dass sein Gegner gleich besiegt war, denn er kam unaufhaltsam näher.
Entschlossen hob Ramon das Messer. Wenn er schon starb, würde er wenigstens noch versuchen, Anja den größtmöglichen Vorsprung zu
Weitere Kostenlose Bücher