Wo immer Du bist, Darling
Verletzungen, die Richards Worte in ihre Seele geschlagen hatten, auflösten und verschwanden. Carolin hatte recht gehabt. Eine Reise schuf Abstand, oder, in ihrem Fall, Nähe. Sie hatte Ramon getroffen, egal, was noch passierte, diese Erfahrung, diese Erinnerung würde ihr bleiben.
Sie rutschte neben ihn. Ramon legte schweigend den Arm um sie und drückte sie an sich. Anja schob ihre Hand auf sein gesundes Bein und kuschelte sich an ihn.
Eine Weile sagten sie nichts. Erst, als in der Feuerstelle knisternd ein Holzscheit zusammenbrach, kam wieder Bewegung in Ramon. »Es hilft alles nichts.« Er seufzte. »Wir brauchen frisches Brennholz, sonst wird’s hier bald ungemütlich kalt.«
Als er versuchte, sich aufzusetzen, kletterte Anja auf seinen Schoß und erstickte auf diese Weise effektiv jede weitere Aktion. »Ich kümmere mich darum.«
»Um was genau?« Ramons Augen begannen sündig zu glitzern, während seine Hände wohlgefällig ihre Beine nachformten.
»Vorrangig ums Brennholz.« Flink hüpfte sie von ihm hinunter. So weit wie vorhin durften sie nicht noch einmal gehen, sonst würde sie sich noch völlig kopflos auf ihn stürzen. Das Wissen, dass er unter der dünnen Decke nackt war, trug auch nicht gerade dazu bei, ihre Beherrschung zu festigen.
Elegant brachte sie sich außer Reichweite seiner Finger. Als sie seinen enttäuschten Gesichtsausdruck sah, hätte sie beinahe aufgelacht. Das durfte ja wohl nicht wahr sein! Wenn das so weiterging, würden sie noch zusammenwachsen. Komischerweise störte sie diese Vorstellung nicht im Geringsten. Es hatte sie schon ziemlich übel erwischt.
Vor sich hinlächelnd stieg sie in ihre Jeans.
*
Ramon legte die Hände in den Nacken und lehnte sich schicksalsergeben gegen die Wand. Etwas anderes hätte Anja sowieso nicht geduldet.
Zielstrebig steuerte sie die Axt an, die an einem Nagel an der gegenüberliegenden Wand hing. »Meine Oma hat im Krieg immer Holz gehackt. Wäre doch gelacht, wenn ihre einzige Enkelin das nicht auch fertigbrächte.«
Ramon verfolgte mit gerunzelter Stirn, wie sie das schwere Werkzeug leicht schwankend von der Wand hangelte. Keine Frage, was ihr an Kraft fehlte, machte sie locker mit Entschlossenheit wett.
Anja ließ die Stahlseite der Axt auf den Boden fallen und schleifte sie am Stiel hinter sich her in Richtung Tür. Als sie seinen skeptischen Blick bemerkte, blieb sie stehen. »Was ist? Bereitet es deinem männlichen Ego Probleme, wenn sich eine Frau um das Holz kümmert?«
»Nein, keineswegs«, gab er leichthin zurück und zeigte dann auf die scharf geschliffene Schneide der Axt. »Nur, wenn sie sich dabei in den Fuß hackt.«
Anja wurde leichenblass, hob dann aber selbstsicher das Kinn. »Dann werde ich wohl besser aufpassen, dass das nicht passiert.«
Ramon nickte bestätigend. »Geh nicht außer Sichtweite der Hütte, ja?«
»Versprochen.«
Nachdem Anja mit der Axt im Schlepptau die Außentreppe hinuntergepoltert war, überlegte Ramon, was er sonst tun konnte. Die Antwort war denkbar einfach: Nichts.
Um seine Hände zu beschäftigen, schnappte er sich das Messer, griff nach einem der kleinen Holzstücke, die stets unter dem Bett lagen, und begann zu arbeiten. Während die Späne um ihn herumflogen, lauschte er angestrengt nach draußen, stets sprungbereit, falls er etwas Ungewöhnliches hören sollte.
Außer den Geräuschen ihrer zögerlichen Schläge drang nichts zu ihm herein. Er konnte genau mitverfolgen, wann Anja endgültig die Puste ausging, denn ihre Schlagzahl nahm rapide ab und die Hiebe wurden schwächer. Irgendwann hörte sie ganz auf, nur um zehn Sekunden später wieder anzufangen. Ramon lächelte still vor sich hin. Zu gern hätte er jetzt ihr Gesicht gesehen. Bestimmt hatte sie wieder diesen Ich-lass-mich-davon-nicht-unterkriegen-Blick , den sie jedes Mal aufsetzte, wenn es eigentlich Zeit zum Aufgeben war.
Immer wieder wanderte sein Blick zur Tür. Wenn sie nicht bald zurück in die Hütte kam, würde er sie holen gehen. Holz hacken war kein Pappenstiel. Vor allem dann nicht, wenn man es wie Anja noch nie zuvor gemacht hatte.
Anscheinend war die Neuförsterin zum selben Schluss gekommen, denn nur wenig später trat sie in die Hütte.
Fasziniert ließ er die Hände sinken. Sie bot einen aufregenden Anblick. Einige Locken hatten sich aus dem Band gelöst und flatterten wild um ihr Gesicht. Die Wangen, vor Anstrengung und kalter Luft gerötet, erweckte seine querida exakt den Eindruck, als wäre sie
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