Wo mein Herz wohnt: Mittsommergeheimnis (German Edition)
mehr so gut verstanden haben. Deshalb hätte dann auch sein Großvater einen gemeinsamen Ausflug nach Öland vorgeschlagen, um die Wogen ein wenig zu glätten.” Sander runzelte die Stirn. “Ich weiß wirklich nicht, woher er das auf einmal hat. Solche Gedanken passen eigentlich gar nicht zu einem Fünfjährigen.”
“Die Fähre!” Finja hatte das Gefühl, als würde ihr der Boden mit einem Ruck unter den Füßen weggezogen. Sie brauchte gar nicht mehr zu hören, es war auch so klar, von welchem Ausflug die Rede war. “Das ist es, oder? Er glaubt, dass ich die Verantwortung für den Tod seiner Eltern und Großeltern trage? Aber ich …” Ihr versagte die Stimme. “Ich muss ihm nach, ich …!”
Sander hielt sie zurück. “Nein, lass ihn. Linus braucht jetzt etwas Zeit für sich. Außerdem ist Susanna bei ihm.”
“Aber ich kann ihn doch nicht einfach denken lassen, dass …” Sie barg das Gesicht in den Händen und fing an zu schluchzen.
“Es war nicht deine Schuld”, sagte Sander und zog Finja in seine Arme. Sanft strich er ihr übers Haar und versuchte Trost zu spenden, wo es keinen Trost gab. “Du weißt doch, wie Kinder sind: Sie schnappen irgendetwas auf und verdrehen die Tatsachen. Und der Kleine liebt dich, sonst würde er sich mit der Situation nicht so schwertun. Ich rede noch einmal mit ihm. Wir finden schon eine Lösung, das verspreche ich dir.”
Finja hoffte so sehr, dass Sander recht behalten würde. Obwohl sie Linus gerade erst vor wenigen Wochen zum ersten Mal begegnet war, hatte sie ihn doch vom ersten Augenblick an fest in ihr Herz geschlossen. Sie liebte den Kleinen wie ihr eigenes Fleisch und Blut. Er war der Sohn ihrer Schwester, die einzige Familie, die sie noch hatte – abgesehen von Sander.
Sander …
Seine körperliche Nähe wirkte beruhigend auf sie, wühlte sie aber gleichzeitig auch auf. Sie schaute zu ihm auf, und der Blick seiner grauen Augen hielt sie gefangen. Es war, als würden Zeit und Raum aufhören zu existieren. Die Geräusche um sie herum – das Zwitschern der Vögeln und der Wind, der durch die Kronen der Bäume strich – traten in den Hintergrund, bis sie nur noch das Pochen ihres eigenen Herzens hörte.
Sei nicht verrückt!
warnte eine leise innere Stimme, doch sie verklang, als Sander die Hand hob und sanft mit den Fingerspitzen die Konturen ihres Gesichts nachzeichnete.
Seine Berührungen ließen Finja vor Lust erschauern. Sie wusste, dass sie sich jetzt besser abwenden und ins Haus zurückkehren sollte, wenn sie nicht das Risiko eingehen wollte, erneut verletzt zu werden. In den vergangenen fünf Jahren hatte sie mühsam eine Mauer um ihr Herz errichtet und gelernt, nichts von dem, was Sander tat oder sagte, an sich heranzulassen.
Doch jetzt erkannte Finja, dass sie sich die ganze Zeit nur etwas vorgemacht hatte. Gefühle ließen sich weder steuern noch auf Dauer unterdrücken. Wenn man es doch tat, dann verwandelte man sich in einen seelenlosen Roboter, der zwar existierte, aber nicht wirklich lebte.
Und sie wollte endlich wieder richtig leben. So sehr, dass sie bereit war, all ihre Sorgen und Ängste über Bord zu werfen und das vielleicht größte Risiko ihres Lebens einzugehen.
“Finja …” Sanders Stimme klang belegt, und Finja glaubte in seinen Augen dieselbe brennende Sehnsucht zu erkennen, die auch sie selbst empfand. Ihre Blicke verschmolzen miteinander. Plötzlich schien es keine Rolle mehr zu spielen, was die Zukunft brachte. Es war nur das Hier und Jetzt, das zählte, sonst nichts.
Als er ihren Mund mit seinen Lippen verschloss, erwiderte sie seinen Kuss mit der ausgehungerten Leidenschaft eines Menschen, der viel zu sehr alle Zärtlichkeit vermisst hatte. Ohne jede Scham presste sie sich an ihn und stöhnte laut auf, als sie spürte, dass sein Verlangen dem ihren in nichts nachstand.
Mit beiden Händen fuhr er ihren Rücken hinunter, umfasste ihren Po und zog sie auf diese Weise noch dichter an sich heran. Seine Nähe machte Finja schwindelig, sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Doch das war nicht wichtig, sie wollte nicht denken, nur fühlen.
Schließlich gab Sander ihren Mund frei und bedeckte ihren Hals mit heißen Küssen. Finja holte mühsam Luft und legte den Kopf in den Nacken. Sie wollte Sander. Sie wollte ihn so sehr! Wen kümmerte es, was morgen war? Eine neue, mutige Finja ergriff von ihr Besitz. Eine Finja, die sich zum ersten Mal eingestand, dass sie im Grunde nie damit aufgehört hatte, Sander zu
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