Wo mein Herz wohnt: Mittsommergeheimnis (German Edition)
die Wahrheit über Audrey erzählen – und über das, was in jener Mittsommernacht vor fast zwei Jahrzehnten im Wald geschehen war.
Es durfte einfach keine Geheimnisse mehr zwischen ihnen geben.
Jetzt nicht mehr.
“Du hast mich einmal gefragt, warum ich bei Paul in psychologischer Betreuung war, erinnerst du dich?” Als Sander nickte, holte sie tief Luft. “Es hatte mit einem traumatischen Erlebnis in meiner Kindheit zu tun, das ich niemals richtig verarbeitet habe. Du weißt, dass Audrey, das englische Au-pair-Mädchen meiner Familie, vor fünfzehn Jahren spurlos verschwand, und ich …” Es fiel ihr noch immer schwer, darüber zu sprechen, obwohl sie inzwischen nicht mehr glaubte, dass Audrey sie mit ihrem Hass noch aus dem Jenseits verfolgte. “Audrey und ich, wir kamen nicht immer besonders gut miteinander aus. An dem Morgen, an dem sie verschwand, hatten wir wieder einen schlimmen Streit. Ich sagte zu ihr, dass sie zum Teufel gehen und nie wieder zurückkehren solle.”
Sander zog sie in seine Arme und hielt sie fest – es war ein herrliches Gefühl, so als wäre sie von der stürmischen See zurück in den sicheren Hafen eingelaufen. Fragend schaute er sie an. “Hast du dir wirklich all die Jahre die Schuld am Verschwinden des Mädchens gegeben?” Als Finja nickte, streichelte er ihr sanft übers Haar. “Du Arme, warum hast du mir denn nie etwas davon gesagt?”
Ein Schluchzen entrang sich Finja. “Ich … Ich schämte mich, und außerdem dachte ich … Ich dachte, dass die Tatsache, dass in meinem Leben alles schiefzugehen schien … Dass dies die Strafe für das war, was mit Audrey geschehen ist.”
Sander legte ihr einen Finger unters Kinn und hob ihr Gesicht an, sodass sie ihm in die Augen blicken musste. “Du bist an überhaupt nichts schuld, Finja, und das Schicksal hätte weitaus mehr Grund, mich zu bestrafen als dich – so wie ich dich all die Jahre behandelt habe. Ich war ein Idiot,
min älskling
, dich so leiden zu lassen. Aber ich hatte mich so hineingesteigert in meinen Zorn und meine Enttäuschung, dass ich einfach nicht mehr klar sehen konnte. Glaubst du, du kannst mir noch einmal verzeihen?”
Finjas Herz hämmerte so heftig, als wolle es zerspringen. “Ja”, stieß sie atemlos hervor. “Natürlich kann ich dir verzeihen. Ich liebe dich doch!”
“Ist das wirklich wahr?”
Sie schlang die Arme um seinen Nacken und schaute ihm tief in die Augen. “Ich habe nie einen Mann so sehr geliebt wie dich – wusstest du das denn nicht?”
Anstelle einer Antwort verschloss Sander ihren Mund mit seinen Lippen und küsste sie so sanft und zugleich so leidenschaftlich, dass die Welt um sie herum in Bedeutungslosigkeit zu versinken schien. Erst ein leichtes Zupfen an ihrem Ärmel holte sie in die Realität zurück. Finja öffnete die Augen und erblickte Linus, der mit einem breiten Grinsen zu ihnen aufschaute. Sybilla stand im Türrahmen, doch als sie die Situation erfasst hatte, zog sie sich diskret zurück.
“Dann ist jetzt also alles wieder gut, ja?”, fragte Linus.
“Ja”, erwiderte Finja lächelnd. Sie beugte sich zu ihm hinunter, um ihn hochzuheben. Dann nahm sie Linus zwischen Sander und sich und sagte aus tiefstem Herzen: “Jetzt ist alles ist wieder gut.”
Plötzlich meinte sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung draußen am Fenster zu bemerken. Sie schaute genauer hin und blinzelte heftig – nur um festzustellen, dass das Bild, das sie zu sehen geglaubt hatte, verschwunden war.
Irritiert schüttelte sie den Kopf. Einen winzigen Moment lang war sie sicher gewesen, Audrey gesehen zu haben, die ihr lächelnd zuzwinkerte. Aber das war natürlich nicht möglich – oder?
Ich hoffe, es geht dir gut, dort, wo du jetzt bist, Audrey
, sagte sie stumm.
Wo immer das auch sein mag.
Dann schloss sie ihre beiden Männer in die Arme. Irgendwo zwischen Schweden und Amerika hatte sich vor fünf Jahren die Liebe aus ihrem Leben geschlichen – nun, da sie wieder zurückgekehrt war, würde Finja ihr Glück mit beiden Händen festhalten und es nie wieder loslassen.
– ENDE –
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