Wo mein Herz wohnt: Mittsommergeheimnis (German Edition)
sein würde, hatte sie jedoch nicht erwartet. Doch trotz ihres anfänglichen Entsetzens war sie ihrer Freundin inzwischen sogar fast dankbar für ihre harten Worte. Immerhin hatten sie ihr ganz klar vor Augen geführt, was sie wirklich wollte – und was nicht. Und für Finja stand fest, dass sie das Kind definitiv bekommen würde, ganz gleich, wie Sander dazu stand.
Insgeheim hoffte sie natürlich, dass er sich über den bevorstehenden Nachwuchs freuen würde. Gleichzeitig fürchtete sie sich aber auch ein wenig vor seiner Reaktion – vor allem, seit Sander so überstürzt abgereist war. Und noch dazu stand ja die Entscheidung des Vormundschaftsrichters noch aus. Ohne einen Ehemann an ihrer Seite standen die Chancen, dass man Linus in ihrer Obhut ließ, mehr als schlecht.
Was sollte sie also tun? Im Grunde gab es nur eine mögliche Entscheidung: Sie musste Sander die Wahrheit vorerst verschweigen, um Linus zu schützen. Zwar konnte sie sich nicht vorstellen, dass er den Fünfjährigen im Stich lassen würde, ganz gleich, was er auch von ihrer Schwangerschaft halten mochte. Doch sie war nicht bereit, ein Risiko einzugehen, auch wenn ihr der Gedanke, Heimlichkeiten vor ihrem Ehemann zu haben, zuwider war.
Aber wenn sie eines im Verlauf ihres bisherigen Lebens gelernt hatte, dann, dass man manchmal einfach gezwungen war, unbequeme Entscheidungen zu treffen.
“Spielst du mit mir Verstecken, Tante Finja?”
Zwei Tage später war Finja gerade dabei, das Mittagessen vorzubereiten. Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn und unterdrückte ein Seufzen. “Jetzt nicht, Linus. Ich bin gerade beschäftigt, das siehst du doch, oder? Aber Susanna hat bestimmt Zeit für dich.” Sie hob die Stimme. “Susanna? Kommst du bitte?”
“Meine
Mamma
hatte immer Zeit, mit mir zu spielen”, entgegnete der Fünfjährige schmollend und lief aus der Küche.
“Deine Mutter hatte auch einen ganzen Stall voll Dienstboten, die ihr zur Hand gingen”, murmelte Finja, schämte sich aber im nächsten Moment ihrer ärgerlichen Worte. Greta war tot, sie würde nie wieder Gelegenheit haben, etwas mit ihrem Sohn zu unternehmen. Außerdem war es nicht fair, dass sie Greta ihren Lebensstil zum Vorwurf machte. Dank Sanders unternehmerischem Geschick hatte auch Finja es nie nötig gehabt, im Haushalt auch nur einen Finger zu rühren. Sie hatte erst hier, in Schweden, wieder damit angefangen – und nicht, weil sie musste, sondern weil es ihr Spaß machte.
Seit Finja jedoch wusste, dass sie schwanger war, fingen die Dinge an, ihr über den Kopf zu wachsen. Auch wenn sie froh war, die Aussprache mit Sander noch etwas aufschieben zu können, wartete sie doch dringend auf seine Rückkehr. Zwar rief er beinahe jeden Abend an, um Linus eine gute Nacht zu wünschen, trotzdem vermisste sie ihn. Und das lag nicht allein daran, dass ihr seine Unterstützung fehlte.
Gerade als Finja den Topf mit den Kartoffeln vom Herd nehmen wollte, klingelte es an der Tür. Kurz darauf hörte sie, wie Linus angelaufen kam. “Das ist bestimmt Onkel Sander!”, rief er und rannte zur Tür – dicht gefolgt von Susanna, die ihm nachgelaufen kam.
Sander?
dachte Finja. Nein, er hätte angerufen, ehe er von Stockholm aus aufbrach. Sie stellte den Topf auf die Arbeitsplatte, glättete ihr Haar und wollte gerade zur Tür gehen, als sie Linus auch schon schreien hörte: “Nein! Lasst mich los! Ich will nicht!”, während Susanna protestierte: “Was soll denn das? Aufhören! Sofort aufhören!”
“Linus!” Finja rannte los. Als sie den Korridor erreichte, sah sie Sybilla, die versuchte, Linus, der sich nach Kräften wehrte, aus dem Haus zu zerren. Susanna bemühte sich, sie davon abzuhalten.
“Stopp”, schrie Finja, drängte sich an Susanna vorbei und stellte sich schützend vor ihren Neffen. Aufgebracht funkelte Finja die ältere Frau an. “Was hat das zu bedeuten, Sybilla? Du kannst nicht einfach kommen und Linus mitnehmen! Du weißt genau, was der Richter bestimmt hat!”
Linus’ Großmutter lächelte, doch es war keine Geste der Freundlichkeit – ganz im Gegenteil sogar. Der Anblick ließ Finja einen Schauer den Rücken hinunterrieseln. Irgendetwas stimmte hier nicht – sie wusste nur nicht, was.
Und dann ließ Sybilla die Bombe platzen. “Du bist deiner Sache wohl sehr sicher, was? Aber es gibt Neuigkeiten, von denen du bisher noch nichts weißt: Es ist ein neues Testament aufgetaucht. Eines, das später datiert ist.”
Finja spürte, wie ihr das
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