Wo mein Herz wohnt: Mittsommergeheimnis (German Edition)
einmal mehr Angst ein, nein, er wirkte sogar beruhigend auf sie. Sie wusste zwar nicht, wie es nun mit ihnen weitergehen sollte, aber zumindest brauchte sie sich nun nicht mehr länger etwas vorzumachen.
Sie liebte Sander – alles Übrige würde sich schon ergeben.
“Nein, ich fürchte, Sie müssen sich etwas anderes überlegen”, flüsterte eine leise Stimme in den Telefonhörer. “Ich habe schon alles versucht, aber sie springt einfach nicht darauf an.”
“Unsinn!”, polterte der Mann am anderen Ende der Leitung ärgerlich. “Finja Sommerdal ist so labil, dass selbst ein Windhauch sie umwerfen könnte. Das erkennt selbst ein Blinder. Haben Sie wirklich genau das gemacht, was wir Ihnen gesagt haben?”
“Ja”, lautete die ungeduldige Antwort. “Ich bin nächtelang in dem Zimmer direkt über ihr auf und ab gelaufen, ich habe geschluchzt, geweint und ihren Namen geflüstert – ohne Erfolg. Und nun, wo ihr Mann und sie wieder in einem Raum übernachten, kann ich schlecht …”
“Sander und sie schlafen zusammen in einem Zimmer?”
“Seit sie aus Falun vom Termin mit dem Vormundschaftsrichter zurückgekommen sind, ja. Deshalb musste ich mir etwas anderes einfallen lassen, um ihr Angst einzujagen, aber … nun, sie hat sich bemerkenswert gut im Griff. Sind Sie sicher, dass sie diese alte Geschichte nicht schon längst überwunden hat?”
Es knackte und rauschte kurz in der Leitung, im nächsten Moment meldete sich eine Frau zu Wort: “Wozu bezahlen wir Sie eigentlich, wenn Sie überhaupt nichts leisten? Strengen Sie sich gefälligst ein bisschen mehr an, verstanden?”
Die Flüsternde verzichtete darauf, die Frau darauf hinzuweisen, dass sie bisher noch keine einzige Krone von der versprochenen Bezahlung erhalten hatte. Stattdessen fragte sie: “Und was soll ich Ihrer Meinung nach anstellen?”
“Was weiß ich?”, entgegnete ihre Gesprächspartnerin giftig. “Versuchen sie den Jungen zu beeinflussen. Wenn er bei der nächsten Anhörung vor Gericht sagt, dass er nicht bei Finja und ihrem Mann bleiben will, kann der Richter nur zu unseren Gunsten entscheiden.”
“Und Sie glauben, dass ich das nicht schon längst alles versucht habe?” Sie atmete tief durch. “Tut mir leid, aber ich glaube, das hat alles keinen Sinn mehr. Ich steige aus.”
“Was? Das kommt überhaupt nicht infrage! Ich …”
Ein Druck auf die entsprechende Taste beendete das Gespräch abrupt. Die Person im dunklen Zimmer atmete tief durch und fuhr sich mit zittrigen Fingern durchs Haar. Sie trug noch immer das lange weiße Nachthemd, dass sie draußen am See getragen hatte, um Finja zu erschrecken.
Selten zuvor in ihrem Leben hatte sie sich so mies und erbärmlich gefühlt wie in diesem Moment – doch sie wusste einfach keinen anderen Ausweg.
Sie brauchte das Geld, das sie für diesen Job bekommen sollte.
9. KAPITEL
Z wei Streifen.
Schwanger.
Vor etwas mehr als einer Woche war Sander nach Stockholm aufgebrochen, und nun stand Finja im Badezimmer ihres Elternhauses, die Hände auf den Rand des Waschbeckens gestützt. Fassungslos starrte sie auf den Schwangerschaftstest vor sich.
Durch die ganze Aufregung der vergangenen Zeit war ihr erst am vergangenen Abend aufgefallen, dass ihre Periode bereits seit Anfang der Woche überfällig war. Heute morgen war sie nun in den Ort gefahren und hatte sich in der Apotheke einen Schwangerschaftstest gekauft. Bis zuletzt hatte sie gehofft, dass sich ihre Befürchtungen als unbegründet erweisen würden. Man hörte doch schließlich immer wieder, dass sich Stress durchaus auf den weiblichen Zyklus auswirken konnte.
Doch nun konnte nicht mehr der geringste Zweifel daran bestehen, dass sie schwanger war. Seufzend fuhr sie sich durchs Haar. Und was nun?
Sie war sich nicht sicher. Auf der einen Seite war es natürlich eine Katastrophe. Wer konnte schon sagen, wie die Geschichte zwischen Sander und ihr ausging? Sie hatte schon einmal geglaubt, das große Glück gefunden zu haben, und dann die Enttäuschung ihres Lebens erlebt. Vermutlich sollte sie es nicht noch schlimmer machen und sich zu allem Überfluss noch ein weiteres Kind anschaffen.
Anschaffen – wie das schon klingt! Ein Kind ist doch nichts, was man sich einfach so anschafft. Kein Gegenstand, den man beiseitestellen kann, wenn er einem nicht mehr gefällt. Ein Kind, das ist eine Entscheidung fürs Leben!
Eine Welle der Übelkeit rollte über sie hinweg, und Finja musste sich auf den Toilettensitz setzen, als sie
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