Wo niemand dich findet
mich losreißen und bin auf die Straße gerannt.« Sie lachte ohne Freude. »Beinahe wär’ ich überfahren worden. Aber das Auto, das kam, hat mir das Leben gerettet. Die Frau hielt an, um mir zu helfen.«
Alex stellte sich vor, wie Melanie durch Nacht und Regen um ihr Leben rannte, auf der Flucht vor dem Mann, der eben ihren Liebhaber ermordet hatte.
»Du hast großes Glück gehabt«, sagte Alex.
Melanie zischte verächtlich.
»Ich mein’s ernst. Du könntest tot sein.«
»Das ist mir schon klar.« Melanie seufzte erschöpft und blickte zur Seite.
»Meine Großmutter hat immer gesagt, ich hätte neun Leben. Wie eine Katze. Ich schätze, in der Ehe mit Craig habe ich schon acht davon verbraucht.«
Nathan starrte ins Feuer und dachte an Alex. Wo war sie nur? Am Telefon hatte sie so seltsam geklungen. Seither hatte er zweimal angerufen, doch sie war nie drangegangen. Nun wurde er das Gefühl nicht los, dass ihr etwas zugestoßen war. Irgendwas stimmte nicht.
Er stocherte mit dem Grillbesteck in den Kohlen. Danach nahm er den Rost, der gegen den Grillfuß lehnte, und legte ihn wieder über die Glut.
Andererseits – vielleicht war auch gar nichts passiert. Vielleicht war nur Stockton wieder in der Stadt und
hatte sie angerufen, so wie er angekündigt hatte. Vielleicht waren sie einfach mit seinem Ferrari unterwegs und gingen aus. Oder bei ihr zu Hause, und sie hatte anderes zu tun, als ans Telefon zu gehen.
Nathans Laune verschlechterte sich, während das Feuer herunterbrannte. Er warf einen wütenden Blick über den Zaun. Kurz überlegte er, ob er zu den Nachbarn gehen und sich über den Lärm beschweren sollte. Er verabscheute Countrymusik. Diesem Geschnulze, das eben lief, konnte er rein gar nichts abgewinnen.
Er zog das Handy aus der Jeans und warf den gefühlt hundertsten Blick auf das Display. Nichts. Er setzte die Bierflasche an und legte den Kopf in den Nacken. Leer. Er stellte sie in den Kasten, der neben dem Sack Grillkohle auf der Terrasse stand. Die dritte. Na, wenigstens hatte er noch drei. Er nahm eine weitere kühle Flasche und drehte den Verschluss auf. In diesem Augenblick wurde das Gartentor geöffnet. Er fuhr herum.
»Hi.«
Sein Herz tat einen Sprung.
»Ich hab geklingelt, aber niemand hat aufgemacht …«, Alex verstummte, während sie über den dunklen Rasen zu ihm kam. »Was gibt’s zu essen?«
»Noch nichts.«
Sie klang ungewöhnlich munter und gesprächig. Sie trug Jeans und ein T-Shirt. Weitere Einzelheiten konnte er in der Dunkelheit nicht erkennen. Wie für ein ernsthaftes Date schien sie allerdings nicht gekleidet.
Sie stieg die drei Holzstufen zu ihm auf die Terrasse. »Tut mir leid, dass ich so reinplatze, aber es klang wichtig.«
»Wichtig?«
»Deine Nachrichten.« Sie blickte in den Garten. Nun war er froh, dass es zu dunkel war, um zu erkennen, wie sehr er ihn vernachlässigt hatte. Sie ließ sich auf einen der Gartenstühle fallen, lehnte sich zurück und seufzte. »Mein Gott, bin ich erledigt.«
»Harter Tag?«
»Kann man wohl sagen.« Sie streckte die Beine aus und legte den Kopf in den Nacken. »Tolle Nacht heute.«
Er trat vor den Stuhl, auf dem sie saß, und sie fuhr in die Höhe und schnappte sich das Bier aus seiner Hand. Nach dem ersten Schluck verzog sie das Gesicht zu einer angewiderten Grimasse. »Ugh, hast du nichts anderes?«
»Drinnen steht eine Flasche Wein, wenn dir das lieber ist.«
»Viel lieber.«
Sie erhob sich, und er begleitete sie zur Terrassentür. Er hielt Alex die Tür auf. »Bitte.« Der Wirtschaftsraum, den sie betraten, war eher eine Rumpelkammer, jedenfalls was die Berge ungewaschener Wäsche betraf. Nathan stieß einen überquellenden Korb zur Seite.
»Entschuldige den Verhau«, sagte er.
»Das ist noch gar nichts. Du solltest erst mal meine Wohnung sehen.«
»Magst du Rotwein?« Die Weinflasche stand neben dem Kühlschrank auf der Küchenarbeitsplatte. Nathan kramte bereits in einer Schublade nach dem Korkenzieher.
»Rot ist prima.«
Er drehte sich zu ihr und erstarrte. »Verdammt, Alex!« Er stürzte zu ihr. »Was ist denn mit dir passiert?«
»Ach, das ist nichts. Ich …«
»Nichts !« Er legte eine Hand unter ihr Kinn, hob es an und drehte ihren Kopf ein wenig zur Seite, um den blauen Fleck genau zu betrachten. Ihre Wange war blutunterlaufen und geschwollen.
»Ich bin gegen eine Wand gelaufen.«
Er sah ihr in die Augen, und sie senkte den Blick.
Ich bin gegen eine Wand gelaufen .
Er ließ die Hand
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