Wo niemand dich findet
andere, was ich in den letzten Monaten durchstehen musste.«
Alex streckte Peggy den Säugling entgegen. »Es tut mir leid. Für die… Unannehmlichkeiten. Aber dabei kann ich Ihnen auf keinen Fall helfen.«
»Melanie hat gesagt, dass Sie das sagen würden.« Peggy sah das Baby an, das nun strampelte und wimmerte. »Aber sie hat mir Ihre Nummer gegeben und gemeint, ich sollte
Sie anrufen, wenn sie bis heute Nachmittag nicht zurück wäre. Sie sind der einzige Mensch, dem sie in einem Notfall vertraut hätte.«
»Aber Sie sind ihre Freundin …«
»Sie auch.« Peggy nahm ihre Handtasche und schlang sie über die Schulter. Sie kam näher, und Nathan sah, dass sie Tränen in den Augen hatte. »Ich würde es ja für sie tun, wenn ich es könnte. Ihr Mann ist weiß Gott ein Scheusal. Aber ich habe mit meinen eigenen Problemen zu kämpfen.«
»Aber …«
»Ich komme ins Krankenhaus, sobald ich kann.« Sie sah das Baby an. »Und du grüßt deine Mama von mir, ja?«
Damit drehte sich Peggy um und ging.
Nathan sah ihr nach. Alex schnappte vernehmlich nach Luft. Sie drehte sich zu ihm. Auf ihrem Gesicht stand blankes Entsetzen.
»Sie kann mir doch nicht einfach Melanies Baby dalassen!«
»Offenbar schon.« Nathan zog das Handy aus der Tasche und wählte die Nummer der Auskunft.
»Aber ich … Ich hab keine Ahnung von Säuglingen!«
Das Kind verzog das Gesicht und wimmerte kläglich. Alex sah es entsetzt an.
»Das ist Wahnsinn! Ich weiß überhaupt nicht, was ich machen soll!«
»Warte mal.« Nathan hielt sich das Telefon ans Ohr, als die Verbindung zustande kam. »Eine Nummer in New Orleans, bitte. Das Jugendamt.«
Alex stand neben dem schmiedeeisernen Tisch und ließ den Blick zum tausendsten Mal über den Platz schweifen.
»Du kannst dich ruhig hinsetzen.«
»Ich will mich aber nicht hinsetzen!« Sie trat von einem Bein auf das andere. Das schien die einzige Möglichkeit zu sein, Grace vom Weinen abzuhalten. »Wie lange dauert das denn schon?«
»Fast eine Stunde.« Nathan nippte an seinem Kaffee und nahm das letzte Stückchen seines Beignets.
»Wie kannst du jetzt eigentlich was essen?«
Er leckte sich die Finger. »Weil ich Hunger habe.«
Alex verdrehte die Augen und wandte ihm den Rücken zu. Schon beim Gedanken an Essen wurde ihr schlecht. Sie konnte es nicht fassen. Wieso hatte sie das nicht gewusst? Wie hatte Melanie es nur geschafft, ihr so etwas Wichtiges monatelang zu verheimlichen?
Grace wimmerte, und ihre kleinen Augenlider zitterten.
Bitte, bitte, bitte, schrei doch nicht schon wieder!
Das Babyweinen machte Alex halb verrückt. Sie fühlte sich hilflos und dumm und unfähig, und das alles zugleich. Grace hatte den ganzen Weg über den Jackson Square geweint und in Alex’ Armen geschrieen, bis ihr Kopf puterrot war. Schließlich hatte Nathan einen Ecktisch in einem Straßencafé gefunden. Dort hatte Alex festgestellt, dass sich die Kleine durch sanftes Schaukeln beruhigen ließ. Das tat sie nun seit fast vierzig Minuten. Obwohl ihr mittlerweile die Hüften wehtaten, war das immer noch besser als Grace’ Weinen.
Grace maunzte erneut. Alex betete, dass sie nicht wieder
zu weinen begann, und trat schneller von einem Bein auf das andere. Vielleicht sollte sie etwas summen? Ein Kinderlied. Aber ihr fiel einfach keins ein. Das einzige Lied, das ihr in den Sinn kam, war »Get the Party Started«, das in einer Bar gespielt wurde, als Nathan sie durchs French Quarter geführt hatte.
Sie drehte sich um.
»Was grinst du so?«, fauchte sie Nathan an.
»Wegen dir. Du siehst lustig aus.«
»Freut mich, dass du das lustig findest. Das Würmchen hier ist kurz davor, Waise zu werden. Was soll daran lustig sein?«
»Das habe ich nicht gemeint, das weißt du.«
Grace zog eine Grimasse und strampelte wieder.
Sie hatten kein Fläschchen für sie bekommen. Auch keinen Schnuller. Peggy hatte ihnen nur eine Einkaufstüte mit Kinderkleidung, Windeln und eine halbleere Packung Milchnahrung dagelassen. Milchpulver.
Grace strampelte weiter. Alex fragte sich, ob vielleicht unten im Kinderwagen ein paar Fläschchen lagen. Aber im Grunde wollte sie gar nicht nachsehen. Selbst wenn dort eine wäre, hätte sie nicht gewusst, was sie damit anstellen sollte. Sie hatte noch nie Babynahrung zubereitet.
Verzweifelt ließ Alex den Blick über den Platz schweifen. Wo blieb diese Frau nur?
»Du hast doch gesagt, dass es ein Notfall ist, oder?«
»Das hast du doch gehört«, erinnerte Nathan sie. »Sie kommt,
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