Wo niemand dich findet
Und völlig harmlos. Doch Nathan blieb misstrauisch und behielt eine Hand in der Nähe seiner Waffe.
Er ließ sich auch etwas zurückfallen, als Alex zu der Frau ging, und hielt Ausschau nach möglichen Gefahren.
»Ich bin Alex.«
Die Frau auf der Bank sah auf. Sie sah besorgt aus. »Ist Melanie nicht bei Ihnen?«
»Sie ist im Krankenhaus«, erwiderte Alex. »Leider auf der Intensivstation.«
»Um Gottes willen! Was ist passiert?«
»Sie war gestern Abend in eine Schießerei verwickelt.«
»O Gott.« Peggy faltete die Hände vor ihrem Gesicht, so als würde sie beten. »Das war Craig, oder?«
»Die Polizei ermittelt noch.«
»O Gott, o Gott«, wiederholte sie und schüttelte den Kopf. »Ich hab mir schon gedacht, dass so was mal passiert. Sie wird doch wieder, oder?«
»Ich weiß es nicht.«
Nathan beobachtete aufmerksam, wie die Frau reagierte. Sie schien den Tränen nahe.
»Sie sagten, Sie hätten etwas Wichtiges für mich.« Alex sah auf die Uhr. »Tut mir leid, dass ich so kurz angebunden bin, aber ich bin auf dem Weg ins Krankenhaus.«
Noch immer kopfschüttelnd hob die Frau ihre Handtasche auf ihren Schoß und begann darin herumzukramen.
Nathan sah sich um. Der Streifenpolizist beobachtete die Szene gelangweilt. Touristen liefen umher und blieben hin und wieder bei einem Hot-Dog-Verkäufer oder vor Straßenkünstlern stehen. An der Ecke von Chartres, St. Peter Street unterhielt ein silberner Pantomime eine Traube Kinder.
Auch wenn Nathan nach allen Richtungen Ausschau hielt, nirgends waren verdächtige Autos zu sehen oder Passanten, die nicht ins Bild passten. Schließlich trat er von hinten an Alex heran und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
»Wir sollten uns beeilen«, flüsterte er.
»Sie haben sie gestern gesehen?«, fragte Alex.
»Sie hat hin und wieder bei mir übernachtet«, sagte Peggy. »Sie kam vor ungefähr zehn Tagen mit dem Bus,
glaube ich.« Peggy zog einen Umschlag aus der Handtasche und reichte ihn Alex.
Nathans Aufmerksamkeit sprang vom Streifenpolizisten zum Pantomimen und weiter zum anscheinend leeren Balkon über dem nächsten Souvenirgeschäft. Die Mutter, die am anderen Ende der Bank saß, nahm das Kleinkind bei der Hand und schlenderte mit ihm zu einem Eisstand.
Nathans Blick fiel auf den Kinderwagen. Ihm sträubten sich die Nackenhaare. Er spürte, wie sich Alex’ Schultern unter seiner Hand strafften.
»Sie hat was?« Alex taumelte zurück und prallte gegen ihn.
Er umfing sie an der Taille. »Was ist los?«
Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an.
»Ich dachte, Sie wüssten es.« Peggy warf Nathan einen fragenden Blick zu. »Wusste sie’s denn nicht?«
»Was denn?« Nathans Magen krampfte sich zusammen, als Peggys Blick zu dem Kinderwagen wanderte, den nun auch Alex mit offenem Mund angaffte.
»Das mit Grace«, flüsterte Peggy.
Aus dem Kinderwagen kam ein Wimmern, und Peggy erhob sich. Alex und Nathan taten einen Schritt rückwärts und beobachteten sprachlos, wie Peggy sich über den Kinderwagen beugte und mit dem Säugling sprach. Sie hob ein in eine rosafarbene Decke gewickeltes Bündel heraus.
Alex fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, als sie den Säugling erblickte. Sie drehte sich zu Nathan um.
»Sie hat ein Kind.« Alex hielt den Brief hoch. »Wusstest du davon? Sie hat ein kleines Kind!«
»Woher soll ich das wissen?«
Peggy trat einen Schritt auf sie zu, und Alex zuckte zurück, als die Frau ihr das Kind reichen wollte.
»Ich kann das nicht nehmen!«
»Mit ihr ist alles in Ordnung.« Peggy kam noch einen Schritt näher und legte Alex das Bündel in die Hände. Nathan hörte, wie sie tief einatmete. Die Backen des Kindes röteten sich, und es verzog das Gesicht.
»Sie kann doch nicht glauben, dass ich das nehme!« Alex wirbelte herum. »Nathan, das kann doch nicht ihr Ernst sein.«
»Beruhig dich«, redete er ihr zu, obwohl er selbst alles andere als ruhig war. Er versuchte, aus Peggys Miene schlau zu werden. »Sind Sie sicher, dass das Melanies Baby ist?«
»Das von Melanie und Joe. Gott schütze das kleine Mäuschen, sie ist noch keine drei Wochen alt. Und ausgerechnet jetzt ist Melanie im Krankenhaus.« Peggy schüttelte den Kopf. »Ich wusste, dass sie in Schwierigkeiten ist. Sie wollte mir nichts sagen, aber ich war mir sicher. In dem Moment, in dem sie bei mir auftauchte und mich bat, auf das Baby aufzupassen, wusste ich, dass etwas nicht stimmt. Es war die pure Verzweiflung, nichts anderes. Mel weiß besser als jeder
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