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Wo niemand dich sieht

Titel: Wo niemand dich sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Wenn Sie auch nur ein bisschen Menschenkenntnis besaß, sollte sie meine überraschende Offenheit - die hoffentlich eine einmalige Ausnahme blieb - dazu bringen, ebenfalls ein wenig ihr Herz auszuschütten.
    »Wir können ins >Edwardian< gehen und was essen. Klingt wie ein Gentlemen’s Club, ich weiß, aber das ist es nicht. Das Essen haut einen dort zwar nicht gerade vom Stuhl, aber die Portionen sind reichlich, und Sie sehen aus, als könnten Sie ein paar zusätzliche Kalorien vertragen. Wie viel haben Sie abgenommen? Fünfzehn Pfund, so was in der Art?«
    »Ja, könnte hinkommen«, erwiderte ich. Es war erst vierzehn Uhr, aber ich wünschte mir nichts sehnlicher als ein weiches Bett, einen abgedunkelten Raum und drei Stunden absolute Ruhe.
    »Folgen Sie mir. Fünfzehn Minuten?«
    »Danke«, sagte ich.
    Ich sah zu, wie sie den Wagen anließ und geschickt wendete.
    Gut zwanzig Minuten später, nachdem ich Hackbraten mit Kartoffelbrei und grünen Bohnen und sie einen großen Hühnchensalat bei Mr. Pete, einem alten Halunken, dem einzigen Kellner für die derzeit etwa zehn Gäste im »Edwardian« bestellt hatte, lehnte ich mich vorsichtig an die harte Holzlehne unserer Sitznische und erzählte: »Wie gesagt, ich war schon mal vor etwa fünf Jahren hier. War damals gerade aus London zurückgekehrt, und Paul und Jilly hatten mich eingeladen, damit ich seine Eltern kennen lernen konnte. Kann mich noch gut erinnern. Seitdem scheint sich hier nicht viel verändert zu haben. Seit wann sind Sie schon Sheriff?«
    »Seit ungefähr anderthalb Jahren. Die Bürgermeisterin von Edgerton, Miss Geraldine Tucker, muss wohl gerade eine feministische Phase gehabt haben. Sie meinte, sie hätte die Frauenbewegung zu ihrer Zeit verpasst und entschied, dass die Stadt einen weiblichen Sheriff bräuchte. Ich war damals Polizistin in Eugene und hatte mir ein paar böse Schwierigkeiten eingehandelt. Ich wollte weg von dort. Der Job hier kam mir da gerade recht.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe einen Deputy, eine Sekretärin und ungefähr ein Dutzend Freiwilliger, die mir zur Verfügung stehen, wenn ich sie brauche, was seit Beginn meiner Amtszeit noch nie vorgekommen ist. Hier gibt’s kaum Kriminalität, wie Sie sich denken können, bloß den einen oder anderen Strafzettel für zu schnelles Fahren oder Falschparken, Jugendliche, die mal über die Stränge schlagen, ein paar Diebstähle pro Monat, die meisten wohl von Durchreisenden begangen, ganz normale Sachen also. Die häuslichen Streitigkeiten haben in letzter Zeit ein wenig zugenommen, aber kein Vergleich mit Eugene.« Sie musterte mich mit einem Blick, der deutlich sagte: Also, offener kann man doch nicht sein, oder?
    Ich lächelte sie an und fragte: »Was war in Eugene?«
    Ihre Lippen wurden mit einem Mal so dünn wie die
    Suppe, die der alte Herr am Nachbartisch löffelte. »Das behalte ich lieber für mich, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Gar nichts. Ach, wissen Sie, ich kann nur hoffen, dass der Hackbraten mir die Rippen ein bisschen aufpolstert, denn die können im Moment so viel Polsterung vertragen, wie sie kriegen können. Worüber wollten Sie noch mal mit Paul reden?«
    Bevor sie antworten konnte, kam ein alter Mann mit einer Baseballkappe in den Händen an unseren Tisch geschlendert. Große Pranken, ein wenig gekrümmt und mit deutlich hervortretenden Venen, aber noch immer stark. Er hatte dichtes, lockiges weißes Haar, gelb verfärbte Zähne und lächelte mich an. Ich schätzte ihn etwa um die siebzig, ein Mann, der sein Leben lang hart gearbeitet hatte.
    »Charlie«, sagte Maggie und beugte sich vor, um ihm die Hand zu schütteln. »Wie läuft’s so? Irgendwas Interessantes, das ich wissen sollte?«
    »Ja«, sagte er mit krächzender, papierdünner Stimme. »Aber das kann warten. Ist das der junge Mann aus Washington?«
    Maggie machte uns miteinander bekannt. Er hieß Charlie Duck und lebte seit fünfzehn Jahren hier. Er nickte, machte aber keine Anstalten, mir die Hand zu schütteln, sondern drehte immer nur die Baseballkappe in den Händen. »Wie ich sehe, sind Sie im Moment beschäftigt, Mac, aber wenn Sie später vielleicht ein bisschen Zeit haben, würde ich Sie gerne einmal sprechen.«
    »Aber sicher«, antwortete ich und fragte mich, was für Klatsch ich da wohl zu hören kriegen würde.
    Er nickte ernst und schlenderte zu einer Nische, wo er, ganz allein, Platz nahm.
    »Sie sehen, nicht jeder hier verabscheut mich.«
    »Charlie ist ein richtig netter

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