Wo niemand dich sieht
Dreck seiner Höhle zu ersticken.
»Rob«, sagte Maggie und beugte sich vor, die Hände um ihre Teetasse gelegt. »Erzähl uns alles, woran du dich noch erinnern kannst, jede noch so kleine Einzelheit. Ich werde alles auf Band aufzeichnen, in Ordnung?«
»Klaro, aber ich hab dir doch schon alles erzählt.«
»Dann erzähl’s noch mal. Ich will’s auf Band haben. Und Mac muss es auch hören.« Maggie sprach ein paar einleitende Worte in den Rekorder. Rob verhaspelte sich anfangs ein paarmal, dann beugte er sich vor und sprach konzentriert und deutlich aufs Band. »Es geschah am Dienstag, den zweiundzwanzigsten April, so gegen Mitternacht. Ich fuhr gerade auf der Küstenstraße Streife. Es war niemand zu sehen, nichts Auffälliges, bis ich um eine scharfe Kurve bog und plötzlich Jillys weißen Porsche vor mir sah. Ich sah, wie sie ohne abzubremsen auf die Leitplanke zufuhr und diese durchbrach. Dann gab sie sogar noch Gas. Ich war direkt hinter ihr. Als der Porsche über die Klippe brach, war ich auch schon aus dem Auto und blickte ihr nach. Ich sah die Scheinwerfer im Wasser und sprang sofort hinterher. An der Stelle ist es wohl so fünf, sechs Meter tief, schätze ich. Da das Fenster auf der Fahrerseite ganz heruntergekurbelt und Jilly zudem nicht angeschnallt war, gelang es mir, sie in kürzester Zeit rauszuziehen. Ich stieß mich vom sandigen Boden ab und tauchte gleich wieder mit ihr auf. Ich schätze, dass sie nicht mehr als höchstens zwei Minuten unter Wasser war.
Dann hab ich sie an Land gezogen, mich vergewissert, dass sie noch atmete und bin dann wieder die Klippen raufgeklettert, um von meinem Streifenwagen aus 'nen Krankenwagen zu rufen. Der Sanka kam ungefähr zwölf Minuten später, und man brachte sie ins Tallshon Bezirkskrankenhaus. Zum Glück war’s bis dort nicht weit.
Das wär’s, Maggie. An mehr kann ich mich nicht erinnern.«
»Hast du Jilly erkannt, als du merktest, dass es ein weißer Porsche war?«
Rob nickte. »O ja, Jillys Porsche würde ich überall erkennen, so wie jeder in dieser Stadt.«
»Was dachten Sie, dass sie machte?«, erkundigte ich mich.
»Keine blasse Ahnung. Ich hab mir schier die Seele aus dem Leib gebrüllt, aber es hat überhaupt nichts genutzt. Kam mir vor, als würde sie mich überhaupt nicht sehen oder hören. Vielleicht war’s auch so.«
»Haben Sie sonst noch etwas oder jemanden gesehen?«
»Nein, nichts.«
Maggie sagte: »Ist Jilly Bartlett deiner Meinung nach absichtlich über die Klippe gerast?«
»Hat so ausgesehen, ja«, bestätigte Rob.
»Haben Sie irgendeinen Zweifel«, hakte ich nach, »dass Jilly nicht absichtlich versucht hat, sich umzubringen?«
Rob Morrison blickte mich aus müden Augen an. Er rieb sich den morgendlichen Stoppelbart. »Nein«, sagte er schließlich, »tut mir aufrichtig Leid, aber meiner Meinung nach hat sie versucht, sich umzubringen.«
»Aber vielleicht war ja was am Auto? Vielleicht ist sie deshalb ins Schleudern geraten?«
»Das Auto liegt zwar noch auf dem Meeresgrund, aber mir kam’s nicht so vor, als würde da was nicht stimmen. Kein zerfetzter Reifen, kein Rauch aus der Motorhaube, keine Bremsspuren, nichts. Tut mir Leid, Mac.«
Eine halbe Stunde später saßen Maggie und ich in ihrem Auto vor Pauls und Jillys Haus.
»Sie sehen aus, als würden Sie jeden Moment umkippen«, sagte sie besorgt. »Warum ruhen Sie sich nicht ein bisschen aus, bis Paul nach Hause kommt?«
»Hab keinen Schlüssel«, erwiderte ich. »Wenn der große Zahnärztekongress nicht wäre, dann würde ich mich jetzt im >Buttercup< B&B aufs Ohr hauen. Hatte nicht vor, bei Paul zu nächtigen.«
»Deshalb haben Sie ihn auch nicht um einen Hausschlüssel gebeten, hm?«
»Genau. Na ja, ich denke, ich werde mich einfach in einem dieser Gartenstühle auf der Veranda zusammenrollen.«
»Na, bei Ihrer Größe könnte das schwierig werden«, sagte sie und trommelte mit den behandschuhten Fingern aufs Lenkrad. »Ach ja, wo wir schon beim Informationsaustausch sind, warum erzählen Sie mir nicht, was Sie von Jillys Unfall halten? Sie sagten doch, Sie hätten ein paar Gedanken dazu, aus denen Sie auch nicht schlau würden. Dann können Sie sich meinetwegen in einen Gartensessel kuscheln.« »Sie haben ein ziemlich gutes Gedächtnis.«
»Ja, hab ich. Also, nun mal raus mit der Sprache.«
»Selbst wenn ich’s Ihnen sage, würden Sie mich doch nur für verrückt halten oder nicht ernst nehmen, weil ich zu der Zeit selbst im Krankenhaus lag und es
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