Wo nur die Liebe Zählt: Die Creeds (German Edition)
kaufe ich dir noch ein Sandwich“, lockte sie ihn. Die nassen Blätter hatten ihre Jeans inzwischen vollkommen durchweicht.
Der Hund schien seine – oder ihre – Möglichkeiten abzuwägen.
Tricia erhob sich, ging ein paar Schritte rückwärts und rief ihn ein zweites Mal.
Ein rauer Wind blies vom Fluss ans Land und drang ihr bis in die Knochen. Sie sehnte sich nach heißem Kaffee und der bulligen Hitze ihres Büros, aber sie würde diesen Hund nicht allein in der Kälte lassen.
Es bedurfte einer Menge Geduld und Überredungskunst, aber irgendwann krabbelte das arme kleine Vieh unter dem Tisch hervor und richtete sich auf.
Definitiv ein Männchen, dachte Tricia. Und wahrscheinlich nicht kastriert.
„Hier lang“, sagte sie sehr sanft und zeigte ihm den Weg zu der Hütte, die ihr Dad immer beschönigend als „Lodge“ bezeichnet hatte. Der Hund humpelte hinter ihr her, mit gesenktem Kopf, die Hüft- und Rippenknochen stachen hervor.
Tricias Herz zog sich zusammen. War er weggelaufen oder ausgesetzt worden? Vielleicht irgendwo auf dem Highway? So etwas passierte immer wieder.
Der Hund tapste vorsichtig über die Schwelle, taumelte auf seinen dürren Beinchen zum Ofen und ließ sich mit einem tiefen Seufzen davor plumpsen, als ob er am Ende einer langen und sehr schweren Reise angekommen wäre.
Tränen brannten in Tricias Augen. In Lonesome Bend gab es kein Tierheim. Nur Hugh Benchley, der Tierarzt, nahm herumstreunende Hunde und Katzen auf, wenn er in den Käfigen hinter seiner Praxis Platz hatte. Seine drei Töchter, die alle bei ihm arbeiteten, bemühten sich dann immer, ein Heim für die armen Tiere zu finden, was ihnen auch oft gelang.
Aber nicht immer.
Die Tiere, die niemand wollte, kamen auf Benchleys kleine Farm oder, wenn dort kein Platz mehr war, in ein Tierheim im nahegelegenen Denver.
Dieser kleine Kerl würde vielleicht Glück haben und eine Familie finden, die ihn liebte. Aber bis dahin sollte er noch ein Sandwich aus dem Automaten bekommen und etwas Wasser. Wahrscheinlich hatte er in der letzten Zeit nur Wasser aus dem Fluss getrunken.
Während der Hund fraß, rief Tricia in Doc Benchleys Praxis an, um zu verkünden, dass sie einen Hund gefunden hatte, den sie zum Impfen vorbeibringen würde – und für den sie hoffentlich einen Platz hatten. Becky, Docs älteste Tochter, die die Buchhaltung für ihren Vater machte, nahm ab. Sie war um die vierzig, pummelig und glücklich mit einem Milchbauern verheiratet. Becky hatte ein Herz von der Größe Colorados, seufzte aber, als Tricia ihr von dem Hund erzählte.
„Das hört einfach nie auf“, sagte sie traurig. „Wir platzen momentan aus allen Nähten. Frank sagt, wenn ich noch ein Tier mit nach Hause bringe, verlässt er mich.“
Frank Garson betete seine Frau an und würde sie niemals verlassen, aber Tricia verstand, was Becky sagen wollte.
„Vielleicht könnte ich mich eine Zeit lang um ihn kümmern“, erwiderte sie zögernd und errötete dann heftig. „Um den Hund, meine ich. Nicht um Frank.“
Becky lachte. Sie klang fast, wie immer, nur ein wenig müde. Vielleicht sogar deprimiert. „Das wäre gut.“
„Aber nicht für immer“, fügte Tricia schnell hinzu.
„Bist du über Rusty noch immer nicht hinweg?“, fragte Becky sehr sanft. Als Tochter eines Tierarztes kannte sie diese spezielle Trauer über den Verlust eines geliebten Haustiers. „Wie lange ist das jetzt her, Tricia?“
Tricia schluckte, sah, wie der kleine Hund aufstand, die Zunge in die Kaffeedose mit dem Wasser tauchte und geräuschvoll zu trinken begann. „Sechs Monate“, sagte sie leise.
„Vielleicht ist es an der Zeit …“
Obwohl Tricia die Augen zusammenkniff, lief ihr eine Träneüber die rechte Wange. „Nicht, Becky, bitte. Ich bin noch nicht so weit, mir einen neuen Hund zu suchen.“
„Wir suchen uns die Tiere nicht aus“, entgegnete Becky freundlich. „Sie suchen uns aus.“
Natürlich konnte Tricia nicht erwarten, dass jemand sie verstand. Sobald ein Immobilienwunder geschah – und Tricia musste einfach daran glauben, um nicht verrückt zu werden –, würde sie aus Lonesome Bend wegziehen und in irgendeinem Apartment im Zentrum von Seattle leben, wo nur sehr kleine Hunde erlaubt wären.
Sie schluckte wieder und wischte sich die Wange mit der freien Hand trocken. Der kleine Hund stieß die Kaffeedose um, und das restliche Wasser ergoss sich auf den Holzboden. „Wie auch immer …“
„Wie wäre es mit elf Uhr dreißig?“,
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