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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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Hier drin herrscht wirklich stickige Luft.«
    »Sie haben das gesehen!« Erregt wandte Milton sich an Mauro. »Sie sind mein Zeuge! Dieser Mensch hat mich tätlich angegriffen, und beleidigt hat er mich auch!«
    Gelassen rückte Mauro den Kopfhörer seines Walkmans zurecht:
    »Ich habe gesehen, wie er – und zwar ausgesprochen taktvoll – einen Nervenzusammenbruch verhindert hat, wie er eines Universitätsprofessors durchaus unwürdig ist; gehört habe ich offen gestanden kaum etwas, abgesehen von Ihren Drohungen. Der Walkman, Sie müssen verstehen …«
    »Sie … Sie sind auch auf ihrer Seite! Lassen Sie sich eines gesagt sein, mein junger Freund, Sie werden nicht …«
    Elaine steckte den Kopf vom Laufgang herein:
    »Falls es Sie interessiert, Milton, Petersen ist wieder beim Schlauchboot. Lassen Sie den Jungen in Frieden und vertragen Sie sich mit Detlef. Ich glaube, eine Entschuldigung wäre ganz angebracht …«
    Als Milton oben an Deck war, stand Petersen immer noch beim Schlauchboot, neben ihm drei Männer. Detlef beobachtete sie mit dem Fernglas.
    »Es scheint doch ein Problem zu geben«, sagte er, ohne die Szene aus den Augen zu lassen. »Die wirken alle ganz schön aufgeregt …«
    Elaine kannte ihn, niemals hätte er sich so gelassen gegeben, wenn er nicht wirklich besorgt gewesen wäre. Jäh bekam sie Angst, zum ersten Mal, seit sie Corumbá verlassen hatten.
    Milton quäkte: »Ein Problem? Was für ein Problem? Ich hab’s ja gewusst! Ich hab gewusst, das kann nicht gutgehen …«
    »Jetzt halten Sie doch bloß den Mund, lieber Himmel!«, gebot ihm Detlef, immer noch das Fernglas in Anschlag. »Ah, jetzt fährt er los. Das heißt,
sie
fahren los. Er hat einen Mann dabei.«
    Er wandte sich Milton zu:
    »Einen bewaffneten Mann«, sagte er trocken und sah ihm unverwandt in die Augen. »Wir sollten uns also alle ruhig verhalten, das wäre der falsche Augenblick für irgendwelche Dummheiten.«
     
    »Lassen Sie mich erklären«, bat Herman, sobald er an Bord war. »Zwei Minuten, mehr brauche ich nicht. Alles ist in bester Ordnung, keinerlei Grund zur Sorge. Nur ein kleiner Zwischenfall …«
    Er schwitzte und wirkte besorgt, trotz des Alkohols, den er ganz offensichtlich zu sich genommen hatte.
    Der Mann, den er mitgebracht hatte, war ein wahrer Rohling, wie man ihn manchmal auf amerikanischen Motorrädern sieht: Schnurrbart, ansonsten schlecht rasiert, speckiges Haar unter dem Stirntuch, das er sich um den Kopf geschlungen hatte, stand er in dem löchrigen Drillichanzug da, offenkundig voller Behagen. Detlef registrierte den Patronengürtel, den er quer über die Brust trug. Das Sturmgewehr vorm Bauch, taxierte er Petersens Passagiere befriedigten Blicks einen nach dem anderen, als wolle er prüfen, dass man ihm auch nichts Falsches erzählt habe. Bei Elaine verharrte er besonders lang, dann grinste er zweideutig und zeigte sein tadelloses Fleischfressergebiss.
    »
Puta madre
«, kommentierte er mit rauer Stimme und griff sich gewohnheitsmäßig in den Schritt.
    Gedemütigt wandte Elaine den Blick ab und schaute auf den Fluss.
    Sie waren so gebannt von dem arroganten Gehabe dieses Kerls, dass keiner von ihnen hätte sagen können, wie lange diese Inspektion dauerte. Elaine erinnerte sich hernach vor allem an den durchdringend wilden Geruch des Mannes.
    »Und der Indio?«, fragte dieser auf Spanisch.
    »Am Steuer«, antwortete Herman, dem es ganz deutlich darum zu tun war, ihn zu beschwichtigen. »Keine Sorge, Amigo, sonst ist keiner da …«
    »Okay«, sagte der andere und nahm seine Kalaschnikow zur Hand, »geht du vor, wir machen eine Runde.«
    Herablassend selbstsicher verschwand er hinter Herman unter Deck.
    Milton war am Boden zerstört; mit weit aufgerissenen Augen hoffte er auf irgendein Wort, einen Blick, etwas, das ihn beruhigen mochte. Detlef versuchte vergebens nachzudenken, die Situation zu analysieren, den Sachverhalt zu begreifen, als handele es sich um ein wissenschaftliches Problem, aber es wollte ihm nicht gelingen, die unsinnigen Bilder loszuwerden, die sich vor seinen inneren Blick schoben. Eines vor allem war besonders beharrlich und vernebelte sein Denken, das Bild von einem übervollen Glas Bier, dessen Schaum unausgesetzt überlief und sich auf dem Tresen ausbreitete … Elaine indessen konzentrierte sich auf ihre Blase, gequält vom machtvollen Bedürfnis, auf die Toilette zu gehen, zugleich aber gelähmt durch das Unvermögen, diese Schwäche einzugestehen, ebenso aber

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