Wo Tiger zu Hause sind
auf das Fest der Geburt des Herrn einzustimmen, danken wir ihm für seine Freigebigkeit …«
Allsogleich erschien ein neues Bild, es zeigte Marien & Joseph unterwegs nach Galiläa. Nach der Geburt Christi & der Anbetung durch die Heiligen Drei Könige wurde uns ein Abriss vom Leben Jesu geboten. Die Musik entsprach dem Gezeigten & war schließlich, beim Kreuzestode, so herzzerreißend, dass es mir wie den meisten derer, die zugegen waren, heiße Tränen in die Augen trieb. Nach Christi Himmelfahrt stellte sich abermals Dunkelheit ein. Nunmehr stimmten die Instrumente eine gar erschröckliche Musik an, immer lauter, und auf dem Gipfel des Crescendos, in dem Moment, da Bläser und Trommeln schier das Haus zum Einstürzen zu bringen drohten, erschien, von Flammen umgeben, der Teufel, gehörnt, Grimassen schneidend, ein garstiger Anblick!
»Der Feind!«, rief Kircher aus. Seine Stentorstimme übertönte die Aufschreie des Publikums. »Der Versucher! Der gefallene Engel! Der Schändliche! Bereuet, oh ihr Sünder, um seinen Klauen zu entrinnen & den Höllenqualen, die die Dämonen der Tiefe euch zugedacht! Hier kommen Beydelus, Anamelech, Furfur & Eurynome! Baalberith, der Hüter des Höllenarchivs! Abaddon, der Engel des Abgrunds! Tobhemes, des Teufels Küchenmeisterin! Philotanus, dessen Name allein ihn uns zur Schande gereichen lässt! Sodann noch Lilith, Nergal & Varafar! Moloch, Murmur, Scox, Empuse & Focalor! Sidragasum, der die schamlosen Weiber tanzen macht! Belial, oh schändlicher Verführer, Zapam, Xezbeth, Nysrak & Haborym! Hinaus hier, Asmodäus! Xaphan, zurück an die Kohlenglut, die du schürst! Schatten und Strygen, Feen, Elmsfeuer & Undinen, geht uns aus den Augen!«
Die Abbilder all dieser Teufel zogen vor unseren Augen einher, sobald mein Meister sie beim Namen nannte, und das Entsetzen um mich herum stieg immer weiter an. Ich fühlte, wie die Fürstin an meinem Arme schlotterte. Schließlich trat uns die Hölle vor Augen, gezeigt mit packender Wirklichkeitsnähe. Myriaden nackter Leiber wurden den grässlichsten Foltern unterzogen und litten stets an dem Körperteil, mit dem sie gesündigt. Sämtliche Verfehlungen sah man geziemend gegeißelt, ohne die Martern, die im Jenseits der Sünder harrten, irgend zu beschönigen. Doch sosehr die Zuschauer von den Abbildern der Teufel beeindruckt gewesen waren, so sehr schien die Abschilderung der Laster & deren Bestrafung sie zu erregen. Entrüstet ob des Glucksens und Gekichers, das ich rund um mich vernahm, erblickte ich ringsum nichts als lächelnde Gesichter und manche Hand, die sich auf Irrwege begab …
Doch bald – die Musik betonte eben perfekt abgestimmt ein letztes Bild der Höllenqualen – rief Athanasius alle dazu auf, das
Anima Christi
zu beten. Allbereits erschien der Text dieses schönen Gebets an der Wand, Vers für Vers übersetzt in sieben Sprachen.
Seele Christi, heilige mich,
Leib Christi, rette mich,
Blut Christi, tränke mich,
Wasser der Seite Christi, reinige mich,
Leiden Christi, stärke mich,
Oh guter Jesus, erhöre mich.
Birg in deinen Wunden mich,
von dir lass nimmer scheiden mich,
vor dem bösen Feind beschütze mich.
In meiner Todesstunde rufe mich,
zu dir kommen heiße mich,
mit deinen Heiligen zu loben dich
in deinem Reiche ewiglich. Amen
Die Inbrunst aber, mit der das gesamte Publikum dieses Gebet sprach, die Innigkeit, mit der all diese Stimmen unter der Spiegelkuppel erklangen, waren gewiss Athanasius’ schönste Belohnung.
Auf dem Rio Paraguay
Eine Art roter Blitz zwischen den schilfgrünen Fallgittern des Dschungels.
Bunt durcheinander lagen auf dem Tisch der Offiziersmesse verschiedene Fachbücher zur Mikropaläontologie, dazu einige Exemplare Corumbella, ein Fadenzähler sowie Zeichenutensilien, was alles zwanglos eine gemütliche Arbeitsatmosphäre schuf. Mauro las zum x-ten Mal Detlefs Bericht an die Brasilianische Akademie der Wissenschaften.
Er hörte Elaines Stimme hinter sich: »Na, immer bei der Arbeit?«
»Eigentlich nicht … ich hab vor mich hin geträumt. Wir sind erst seit einer Woche auf diesem Boot, aber mir kommt es schon vor, als wäre ich seit ewigen Zeiten hier, als würden wir niemals irgendwo ankommen und kaum je von dort zurückkehren …«
»Ich bin wahrscheinlich weniger romantisch veranlagt«, sagte sie mit einem Anflug von Spott. »Ich möchte möglichst bald ankommen. Weiß Gott, was uns da erwartet … Das Fossil, das Detlef in der Hand hatte, ist sehr
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