Wo Tiger zu Hause sind

viel älter als Corumbella; wenn wir die Fundstätte ausfindig machen, finden wir mit ziemlicher Sicherheit auch noch andere Arten aus derselben Zeit. Das könnte die gesamte Paläontologie revolutionieren!«
    »Ich weiß schon, aber das muss einen ja nicht daran hindern, das Hier und Jetzt zu genießen, oder?«
    »
Carpe diem
, ja … obwohl das ein bisschen schwerfällt, wenn das Wasser halb faulig aus der Dusche kommt und tagein, tagaus nichts anderes auf den Tisch kommt als Piranha … Außerdem« – sie warf einen raschen Blick hinter sich – »will mir dieser Petersen einfach nicht gefallen. Er ist widerwärtig, selbst in den Momenten, wo er sich anstrengt, nett zu sein. Ich finde ihn unerträglich.«
    »Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Ich glaube, ich kenne kaum jemanden, der so unsympathisch ist. Ich würde mit Freuden auf …«
    Mitten im Satz wurde Mauro von einem dumpfen Knattern unterbrochen, dem ein weiteres, längeres folgte. Das Geräusch hallte zwischen den Metallwänden des Schiffs wider.
    »Was war das?«, fragte Elaine automatisch.
    Mauro antwortete nicht, aber sie sah seinem Blick an, dass er es genauso identifiziert hatte wie sie: Maschinengewehrfeuer. Ohne weiter nachzudenken, stürzten sie an Deck. Immer noch stoben aufgeschreckte Vogelschwärme aus dem Urwald auf wie Federn aus einem aufgeschlitzten Kissen.
    »Runter, schnell!«, rief ihnen Milton zu, der flach auf dem Bauch an der Reling lag. »Wir werden beschossen!«
    »Keine Panik, keine Panik, Senhor Professor …« Petersen trat seelenruhig aus der Tür des Steuerhauses. »Wir werden nicht beschossen, das war nur das Signal meiner Freunde aus Paraguay. Stehen Sie nur wieder auf … Ich geh mich ein bisschen mit ihnen unterhalten, und alles wird gut, Sie werden schon sehen. Ein Stündchen, länger nicht … Machen Sie sich keine Sorgen«, beruhigte er auch Elaine und Mauro, als er an ihnen vorbeikam, »Sie stehen unter meinem Schutz. Halten Sie sich ruhig, dann wird Ihnen nichts passieren. Ich nehme das Beiboot, es dauert nicht lange …«
    »Soll ich vielleicht mitkommen?« Detlefs Stimme klang ernst.
    Herman drehte sich zu ihm um, sichtlich entnervt, als hätte man ihm in seinem ganzen Leben noch nicht etwas so Unsinniges angetragen:
    »Ja natürlich, bitte, kommen Sie mit auf ein Tässchen Tee, man wird entzückt sein, Sie kennenzulernen … Jetzt mal im Ernst, bitte schön. Helfen Sie lieber dem Idioten von Indio, das Schiff in Position zu halten. Wir können hier nicht ankern, der Grund ist zu weich.«
    Und damit ging Petersen nach hinten. Sie sahen zu, wie er über die Reling setzte, um zum Beiboot zu gelangen. Dann hörten sie den Außenbordmotor starten, und kurz darauf erschien das Schlauchboot auf ihrer Höhe und fuhr rasch flussaufwärts bis zu einer Art im Mangrovendickicht verborgenen kleinen Strandes.
    »Wo warst du denn?«, fragte Elaine Detlef.
    »Im Steuerhaus, mit Herman und Yurupig.«
    »Kann mir bitte mal jemand erklären, was hier los ist?« Milton war immer noch schreckensblass.
    »Nichts eigentlich, nur etwas sehr … Südamerikanisches«, meinte Detlef beinahe scherzhaft. »In der Gegend hier treiben Wilderer ihr Unwesen, Typen aus Paraguay, sie schmuggeln Krokodilhäute. Wenn ich recht verstanden habe, machen sie auch ein bisschen in Kokain, um sich was dazuzuverdienen. Unser Herr Kapitän macht mit ihnen irgendwelche kleinen Geschäftchen, um die kümmert er sich jetzt, aber bis zum Beweis des Gegenteils geht uns das alles nichts an.«
    »Krokodile!« Mauro war plötzlich wütend. »Die Gangster! Und keiner stört sie dabei, oder was?«
    »Nein, im Grunde nicht. Das sind echte Profis: Vor ein paar Monaten haben sie sich per Helikopter hier absetzen lassen, haben dann ein Stückchen Urwald als Piste für ihre Piper gerodet und ihr dreckiges Geschäft aufgenommen. Sie jagen mit der Kalaschnikow, falls euch auch das noch interessiert. Seit mehrere Boote, darunter das vom Zoll, unter schweres Maschinengewehrfeuer geraten sind, traut sich niemand mehr hierher. Jedenfalls niemand Anständiges. Und da sie die örtlichen Beamten großzügig schmieren, dürfte sich so bald nichts daran ändern.«
    »Das ist ja unglaublich! Unglaublich, ich fasse es nicht!« Milton war entsetzt. »Und hier führen Sie uns seelenruhig hin? Woher wissen Sie das alles?«
    Detlef zögerte mit seiner Antwort, gerade lang genug, dass Mauro begriff, was jetzt kam, war nicht die ganze Wahrheit:
    »Von Petersen natürlich. Er wusste nur,