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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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helfen soll, unseren Weg durchs Labyrinth der Welt zu finden.«
    Dank Kircher erkannte ich da, wie sehr der Kosmos in Analogie & Abbild des Allmächtigen geschaffen ist. Vom Allerhöchsten bis ins Kleinste lassen sich gegenseitige Proportion & Korrespondenzen finden, & so können, wie schon der heilige Paulus bezeugte, die unsichtbaren Dinge anhand der materiellen Dinge durch den menschlichen Geist erfasst werden …
    Von jenem Tage an verfolgte ich meine Arbeit mit umso glühenderem Herzen & forschte mit an jenen emblematischen Buchstaben, die es uns erlauben sollten, in der Zeit zurückzureisen bis hin zum Ursprung der Dinge.
    »Forschen«, so sagte Kircher, »heißt sammeln! So viele von diesen unentzifferbaren Wundern vereinen wie möglich, um die Vollkommenheit der ursprünglichen Enzyklopädie wiederherzustellen; die Arche mit ebenjener Sorge um Eile und Vollständigkeit bauen, wie Noah es tat. Und diese heilige Aufgabe, Caspar, werde ich vollbringen, mit Gottes Hilfe & der deinen.«
    Mein Meister öffnete sich mir mehr & mehr, er erwies mir ein Vertrauen, dessen mich würdig zu erweisen ich mich fortwährend mühte. Ich kann bezeugen: Bereits zu jener Zeit, da er gerade erst das Alter von sechs & dreißig Jahren erreicht hatte, war seine Weltsicht bereits von solcher Klarheit & Komplexität, dass er beides in der Folge nur noch entwickelte.
Omnis in omnibus
, »alles ist in allem«, das war fortan seine Devise; nämlich dass in der Natur kein Ding existiere, das nicht durch Analogie & Proportion mit allen anderen verbunden wäre.
    Ende des Sommers 1638 kamen wir nach Rom, ohne weitere erwähnenswerte Abenteuer, abgesehen von einem, nämlich bei der Abreise aus Kalabrien, unserer Entdeckung der verhängnisvollen Wirkungen des Giftes der Tarantel sowie des angelegentlichen Studiums seines harmonischen Antidots. Während dieser wenigen Reisemonate hatte Kircher unvergleichliche Erfahrung & Wissen gesammelt. Er brachte eine unüberschaubare Menge einzigartigen Materials ins Collegium Romanum & kannte nur eine Sorge: sich an die Arbeit zu machen. Während unserer Rückreise hatte er mir von den beiden Büchern berichtet, die ihm im Kopf herumgingen & deren Anlage er mir unermüdlich schilderte: einen der Geologie & Hydrologie gewidmeten
Mundus subterraneus
 & eine
Ars magna lucis & umbræ
, mit welcher er in Dingen der Optik die Kepler’schen
Paralipomena
 & sogar die jüngst erschienene
Dioptrique
von Monsieur Descartes zu widerlegen trachtete, in welcher dieser so viele arrogante Dummheiten vorzutragen wagte …
    Papst Urban  VIII . hingegen wünschte, dass Kircher sein Genie zuvorderst auf Ägypten & die Entzifferung der Hieroglyphen verwandte, so dass Athanasius mit der Abfassung der geplanten Werke, in denen er unsere Forschungen auswertete, noch mehrere Jahre warten musste.
    Während unseres Aufenthalts im Süden hatten auch die Sammlungen des seligen Sieur de Peiresc Rom erreicht. Wir verbrachten mehrere Monate damit, sie zu ordnen und in einer Etage des Collegiums aufzubauen, die der Pater General der Societas Jesu Kircher zur Verfügung gestellt hatte. Mit all dem, was mein Meister auf den jüngsten Reisen ergattert hatte, war das eine beträchtliche Menge von Raritäten aller Art. Hinzu kamen noch diejenigen, die unsere Ordensbrüder ihm aus Fernost und Westindien sandten.
    Kircher wünschte, dass sein Museum das größte & vollständigste der Welt würde. Nicht nur einfach ein Kuriositätenkabinett, größer als das von Paracelsus, Agrippa, de Peiresc und anderen, sondern eine wahrhaftige konkrete Enzyklopädie, ein Erinnerungstheater, in dem ein jeglicher Besucher das Wissen der Menschheit seit den Anfängen durchlaufen konnte. Die dazu auserkorene Galerie prunkte vor lauter edlen Marmorstücken, die Kircher um griechische und römische Säulen ergänzte und den Ort so zu einem Portikus machte, in dem man nach Art der Stoiker auf und ab wandelnd philosophieren konnte. Mehrere Unterrichtsräume, die nebenan lagen, dienten zur Schulung in den Künsten & Wissenschaften.
    Unter den Gewölben des Vestibüls ließ mein Meister fünf ovale Medaillons mit Fresken ausmalen. Im ersten, demjenigen, das den Besucher beim Betreten des Museums empfängt, war ein Salamander inmitten der Flammen zu sehen.
    »Der Salamander, das bin ich«, verriet mir Kircher eines Tages, als ich ihn nach der Bedeutung dieser Allegorien fragte. »Dadurch ermuntere ich den Besucher, dem Feuerbrand der schwierigen

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