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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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bevor der Geist bewusst eingreift. Es ist leichter, einen Billigwein oder eine korkende Flasche zu erkennen, als die spezifischen Qualitäten eines großen Weins zu benennen.
     
    KIRCHER ist ein mystischer Fälscher.
     
    »SIE LEBTE FÜR DIE WOLLUST DES SCHWEIGENS.« Hübscher Spruch, er scheint eigens für Loredana erdacht. Man müsste ihn aber noch weiter treiben können … (In die Nachbarschaft des
Tractatus
: Worüber man nicht sprechen kann etc.)

16 . Kapitel
    Allwo beginnt die Geschichte des Jean Benoît Sinibaldus & des betrügerischen Alchimisten Salomon Blauenstein.
    I m Jahre 1647 , mit fünfundvierzig Jahren Alters, wirkte Hochwürden Athanasius Kircher immer noch sehr frisch. Freilich war sein Bart hier und dort weiß, sein Haupthaar desgleichen, doch nichts an seiner Erscheinung deutete sonst auf dieses reife Alter hin. Er war von eiserner Gesundheit, weit besserer als ich, trotz unseres Altersunterschiedes, & litt lediglich bisweilen an gutartigen Hämorrhoiden, die er selbst mit einer Salbe eigener Herstellung behandelte.
    Sommers wie winters stand er kurz vor der Sonne auf & wohnte in unserer Kapelle der Messe bei, aß sodann frugal: ein Stück Schwarzbrot & eine Suppe, die der Küchenmeister ihm auf das Zimmer bringen ließ. Nicht, dass er nicht mit uns anderen im Refektorium hätte essen mögen, doch untersagten seine tausend & eine Pflichten es ihm, wertvolle Zeit ausschließlich der Nahrungsaufnahme zu widmen. So aß er an seinem Arbeitstisch, konnte derweil weiter lesen & schreiben & befand sich höchst wohl bei dieser Gewohnheit, die niemand von uns anderen als Privileg ansah.
    Von sieben Uhr früh bis mittags arbeitete er also in seinem Kabinett an der Abfassung seiner Bücher, stets an mehreren zugleich, & meine Aufgabe bestand darin, ihm zu helfen, so gut ich es vermochte.
    Gewöhnlich pflegten wir zum Mittagessen ins Refektorium hinabzugehen, doch geschah es während dieser intensiven Arbeitsjahre mehr als nur ein Mal, dass wir es verpassten, ohne es auch nur zu bemerken. »Ach, dann haben wir heute Abend nur umso mehr Appetit«, lächelte Kircher dann, bestellte aber durch sein akustisches Rohr beim Bruder Pförtner etwas Süßes oder eine Tasse jener Abkochung von Kaffee, die zu der Zeit in Mode war.
    Die Gewohnheit verlangte auch ein Schläfchen von einer oder zwei Stunden, gleich nach dem Essen; hierauf verzichtete mein Meister nie, ging jedoch nicht zu Bett, sondern hatte einen ledernen Sessel, dessen Rückenlehne mit einem Federmechanismus kippbar war. Den Nachmittag widmete Kircher sodann der Erledigung praktischer Dinge, überwachte den Bau von Maschinen, die er ohne Unterlass zur Zerstreuung des Papstes oder des Kaisers ersann, Erfindungen, mit denen mehrere Patres in den Werkstätten des Collegiums & etliche Handwerker außerhalb beschäftigt waren.
    Lange Stunden waren der Chemie gewidmet, einer Kunst, die Athanasius leidenschaftsvoll in dem Labor betrieb, das er im Keller, unter der Apotheke, eingerichtet hatte, und wo er das Allheilmittel & jene sympathetischen Pulver zubereitete, welche die Übel dieser Welt & ganz einfach die der Patres im Collegium beheben sollten. Auch musste er die anreisenden Gelehrten empfangen & geleiten, die eigens nach Rom kamen, um ihn zu besuchen & seine Sammlungen zu studieren. Nicht zu vergessen schließlich all die physikalischen Experimente, die er regelmäßig anstellte, um die Theorien an der Wirklichkeit zu messen, eigene & die anderer.
    Um sechs Uhr nachmittags nahm er an der Vesper teil, dann aßen wir zu Abend. Die Zeit danach war dem Studium vorbehalten, der Lektüre, dem Gespräch, & jedes Mal, wenn die Luft hinreichend klar war, der Beobachtung der Sterne; einem Geschäft, dem mein Meister beharrlich nachging & das wir von einem kleinen Observatorium auf den Dächern des Collegiums aus betrieben.
    In jenem Jahre ereignete sich ein insgesamt recht amüsantes Zwischenspiel, das Kircher jedoch zweiundzwanzig Jahre später ein gewisses Ungemach bereiten sollte.
    Es lebte in Rom ein französischer Arzt namens Jean Benoît Sinibaldus, mit dem mein Meister wegen gemeinsamer Interessen in einem gewissen Verkehr stand. Dieser Mann mit seinem ganz beträchtlichen persönlichen Vermögen übte sich beharrlich in der Alchimie & gab zum Verdrusse seiner Gattin erhebliche Summen für die dazu notwendigen Ingredienzien aus.
    Eines Nachmittags im Jahre 1647 also sprach Sieur Sinibaldus im Collegium vor & verlangte unverzüglich

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