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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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Hübschen Seelenheil
    Werd ich ja gern des Teufels Teil.
    Glaubt diesem Sänger, was er singt:
    Es ist kein Laster, wenn man trinkt …
    … noch eine Cachaça und noch eine, immer wieder, bis an die äußersten Grenzen dieser Nacht gehen. Man kann es ihm nicht verübeln, sagt João, den Blick auf eine Packung OMO geheftet, er kann nichts dafür.
A mulher és capaz de quase tudo, o homem do resto …
Eine Frau ist zu fast allem imstande, der Mann zum Rest. Kurz vorm Zusammenbruch vor Erschöpfung und Suff klammern sie sich aneinander, die Schultern aneinandergeschweißt, die Hände auf dem Tresen tastend, einander dicht am Abgrund vorm Absturz rettend.
     
    Als Thaïs ihn später nachts fand, schlief Roetgen auf dem Billardtisch, eine hässliche Schramme an der Stirn, getrocknetes Blut im Gesicht. Der Barmann erzählte, sie hätten ihm eine leere Flasche über den Kopf hauen müssen, aber er sei ein robuster Typ, nichts passiert, seinem Schädel nichts – ein Riss in der Kopfhaut, nicht weiter schlimm … –, und bleibende Schäden würde es auch keine geben. João hatten sie mit sanftem Zwang schon etwas früher nach Hause geschafft, während er sich in wüsten Beschimpfungen auf seine Frau erging.

Fortaleza, Favela Pirambú
    Angicos, 1938 .
    Seit Stunden schon feilte Nelson an seiner Stahlstange. Dank der Monotonie dieser Arbeit hatte er alle Muße, in Gedanken wieder einmal den Tod von Lampião Revue passieren zu lassen. Irgendetwas kam ihm an der Sache eigenartig vor, das war zu prosaisch schicksalhaft, es passte nicht zur Schläue und Gerissenheit seines Helden. Angicos, 1938  … Das tragische Ende des berühmten
Cangaceiro
war sattsam bekannt: Stolz auf ihre Leistung, hatten die Soldaten der wilden Brigade unter Leutnant João Bezerra alles detailliert berichtet.
    Als der blasse Morgen des 28 . Juli 1938 über jener Region Brasiliens dämmerte, waren die Polizisten den
Cangaceiros
bereits so nah, dass sie sie reden hören oder den Blicken derer folgen konnten, die sich schon auf der Schwelle ihrer provisorischen Hütte reckten. All diese Männer ähnelten sich auf verwirrende Weise in der einzigen Uniform, die in der
Caatinga
, dem lichten Wald des Sertão, möglich war. Lederjacke, darüber eng zwei gekreuzte Patronengurte, Gamaschen, an den Knien bewegliche Beinschützer, großer Zweispitz aus Rohleder voller Sterne und vergoldeter Rosetten – eine Art Hut, ähnlich dem der nachrevolutionären Royalisten in Frankreich, aber mit Kinnschutz und ziermünzenbesetzter Front … Erdacht, um einer stachelbewehrten Vegetation zu trotzen, wurde diese bronzefarbene Rüstung von Jägern wie Gejagten getragen, die auf diese Weise einer das Spiegelbild des anderen waren. Im immer noch prasselnden Regen zeichneten sich einzelne Geräusche ab: Töpfeklappern, Pferdeschnauben, immer wieder einmal trockener Husten … Sie sollten das Feuer erst auf Bezerras Order eröffnen, doch die Angst presste die Kiefer des Leutnants so fest aufeinander, dass man seinen Herzschlag auf der Wange sah; statt zum Zuschlagen bereit zu sein, wäre er am liebsten in der schlammigen Kuhle versunken, in die er sich duckte. Das jäh ertönende Rattern einer Nähmaschine presste das Gesicht dieses Feiglings in den Matsch … War es eine hastige Bewegung im Gebüsch? Das metallische Schimmern eines Karabiners? Die unübliche Stille rings ums Lager? Ohne erkennbaren Grund schlug einer der
Cangaceiros
Alarm. Und eine Sekunde später war es Maria Bonita, als würde ihre Nähmaschine Maschinengewehrfeuer spucken.
    Lampião, der auf den Ruf seines Genossen aus der Hütte stürzte, fiel als einer der Ersten im Kugelhagel. Etliche
Cangaceiros
suchten verstreut Zuflucht in den Hügeln, während Maria Bonita, Luís Pedro und die treuesten Rebellen sich in die Hütten zurückzogen. Der Angriff dauerte nur rund zwanzig Minuten, doch noch lange nachdem die Gewehre der Verteidiger verstummt waren, zerfetzten die MG s der Polizisten die aus Ästen und Zeltleinwänden gebauten Unterstände.
    Es war ein Gemetzel, keine Schlacht. Die Verteidiger hatten nicht die geringste Chance. Wie sollte eine solche Ausschreitung zu rechtfertigen sein? Warum musste die notorische Feigheit Bezerras über Intelligenz und Tapferkeit obsiegen? Lampião und seine Getreuen waren kampflos gestorben, die Polizisten hatten sie schlicht und einfach exekutiert.
    Von dieser Erkenntnis empört, hatte Nelson die Bewegungen der Feile beschleunigt. Nein, dachte er, nie hätte

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