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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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wusste Alfredo nicht, ob es sich um strategische Waffen handelte oder einfach nur um eine zivile Basis, von der aus Satelliten in Umlauf gebracht werden sollten. Das war auch egal, denn in beiden Fällen würde es die Zerstörung des Waldes bedeuten, die Vertreibung der Bewohner, die Gefährdung des Ökosystems: Dieses nebulöse Projekt zog seine gesammelte Ablehnung auf sich, als ob es unmittelbar die ganze Welt bedrohten würde, und gerade in seiner Übertriebenheit war das hinreißend.
    Plötzlich knisterte die Glühbirne über der Veranda.
    »Bald ist das Gewitter da«, sagte Alfredo, »besser, ich hole schon mal die Kerzen.«
     
    Auf dem Bett liegend, in Slip und BH , verfolgte Loredana das besorgniserregende Irrlichtern des Glühbirnenscheins auf den Stuckrosetten an der Decke. Diese langsame, fortschreitende Agonie faszinierte sie. In der erstickenden Schwüle des Zimmers schien alle Feuchtigkeit Tropfen um Tropfen über das Haar aus ihrem Körper zu weichen. Wie lange es wohl dauern mochte, bis sie sich völlig verflüssigt hätte und unter der verzuckenden Glühbirne nur noch ein nasser Fleck auf dem Laken blieb?
    Wachsender Juckreiz zwischen den Beinen trieb sie aus dem Bett. Sie zog sich ganz aus, und die zu Boden fallende Unterwäsche hätte beinahe eine fette, honiggelbe Schabe unter sich begraben, die unter eine Bodendiele floh. Loredanas Leistenbeugen waren unangenehm heiß. Einen Fuß auf dem Rand des Waschbeckens, wusch sie sich vorsichtig und unter einer schmerzverzerrten Grimasse mit dem Waschlappen, dann bestrich sie die rohe Haut mit Creme. Sie blickte in den Spiegel, betastete lange ihre Brüste und wartete darauf, dass das Brennen nachließ, das sie zu dieser unkomfortablen Haltung zwang. Gott allein wusste, wie lange sie hier noch vor sich hin faulen musste … Faulen, das war genau das richtige Wort, dachte sie in Hinblick auf die sich so lästig ankündigende Pilzinfektion. Konnte sie wenigstens ihrem Gewährsmann vertrauen? Nichts war unsicherer als das. Der Typ war ihr komisch vorgekommen. Wie der schon so schief schaute die ganze Zeit, während sie mit ihm verhandelte. Dass er im Voraus bezahlt werden wollte, war ja noch begreiflich, aber dass er ihr über den Stand der Dinge so wenig verraten und ihr nur einfach gesagt hatte, sie solle in diesem Hotel warten, das konnte sie nur schwer akzeptieren. Zwei, drei Wochen, hatte er gesagt, vielleicht ein bisschen länger, aber bis Ende des Monats sei alles vorbei. Gut, sie durfte nicht mehr daran denken. Besser etwas essen gehen, um auf andere Gedanken zu kommen. Vergeblich suchte sie in ihrem Koffer sauberes Unterzeug, seufzte genervt, dann zog sie sich Rock und T-Shirt über die blanke Haut.
     
    Als sie unvermittelt aus dem Zwielicht auftauchte, unterbrach sich Alfredo mitten im Satz.
    »Das ist sie«, flüsterte er. »Bis gleich …«
    Eléazard sah zu, wie er aufsprang und zu der Italienerin hinstürzte, die eine solche Wirkung auf ihn hatte. Sie musste fünfunddreißig, vierzig Jahre alt sein, gewissen Anzeichen nach zu urteilen, die verboten, sie jünger zu schätzen, schien aber nicht von der für dieses Alter typischen beginnenden Erschlaffung betroffen. Mit geübtem Auge verzeichnete Eléazard eine feste Brust, die sich frei unterm Stoff bewegte, lange, grazile Beine und eine alles in allem schlanke und vornehme Gestalt. Andererseits war sie bei weitem nicht so hübsch, wie Alfredo, der gerissene Hund, es angedeutet hatte. Soweit Eléazard es beurteilen konnte, waren ihre mandelförmigen Augen und der Mund für das abgezehrte Gesicht etwas zu groß; ihre übertrieben lange und spitze Nase unterstrich dieses Missverhältnis.
    Als sie an ihm vorbeikam, von Alfredo zu einem nahen Tisch geleitet, bedachte Eléazard sie mit einem Willkommenslächeln, das sie mit einem knappen Nicken quittierte. Ohne groß darauf zu achten, verbuchte er auf ihrer Habenseite zwei ansprechend gerundete Hinterbacken. »Ein intelligenter Hintern«, formulierte er innerlich, ein wenig beleidigt von der Gleichgültigkeit der Frau. »Ein
sehr
intelligenter Hintern …«
    Loredana war für ihn gar nicht so unempfänglich, wie er dachte. Erst einmal war die Anwesenheit eines Fremden an diesem wenig besuchten Ort sowieso interessant. Bevor er sie bemerkte, hatte sie ihn ein paar Sekunden beobachtet und als anziehend, ergo gefährlich eingeordnet. Daher dieses Misstrauen ihm gegenüber, die Zurückhaltung, als er ihr zulächelte. Nicht, dass er körperlich

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