Wo Tiger zu Hause sind
sprechen.«
»Selbstverständlich«, antwortete Loredana. »Wenn Sie mit meinem Portugiesisch Nachsicht walten lassen. Ich heiße Loredana. Loredana … Rizzuto«, ergänzte sie mit bedauernd verzogenem Gesicht. »Ich schäme mich immer ein wenig, meinen Namen zu nennen, er ist so lächerlich …«
»Aber im Gegenteil«, widersprach Alfredo mit Verve. »Ich finde ihn sehr schön, sehr … italienisch! Der wäre mir viel lieber, als ›Portela‹ zu heißen. Alfredo Rizzuto! Mein Gott, klingt das gut …«
»Alfredo Rizzuto?«, war auf einmal Eunices spöttische Stimme zu hören. »Versuchst du wieder, dich mit allen Mitteln interessant zu machen?« Sie war hinter ihrem Mann aufgetaucht, ein Tablett mit etwas Quiche und ein paar Mangos in Händen. Jetzt sprach sie Loredana an: »Entschuldigen Sie, aber wenn er ein hübsches Mädchen sieht, kann er sich gleich nicht mehr bremsen. Und jetzt,
Senhor
Rizzuto, hörst du auf zu trinken und kommst mir helfen, es gibt kein Wasser mehr, du musst die Pumpe am Generator anschließen.«
»Na gut«, seufzte Alfredo, »aber keine Sorge, ich bin gleich zurück.«
Sobald er außer Hörweite war, prusteten Eléazard und Loredana los – bei den Worten seiner Frau hatte er einfach zu komisch dreingeschaut.
»Ulkiger Kerl«, meinte Loredana in ihrer Muttersprache. »Sympathisch, aber ein bisschen … aufdringlich, oder?«
»Mal so, mal so. Er hat nicht oft Gelegenheit, mit Ausländern zu reden, das nutzt er jedes Mal. Außerdem glaube ich, Sie schüchtern ihn ein. Übrigens ist er alles andere als dumm. Wir sind nicht regelrecht befreundet, aber ich kann ihn wirklich gut leiden. Tinken Sie ein Glas mit mir?« Er griff nach der Flasche. »Er ist sehr erfrischend, ein bisschen moussierend, fast wie ein Frizzante.«
»Gern.« Loredana hielt ihm ihr Glas hin. »Ach ja, Frizzante … Sie werden noch dafür sorgen, dass ich Heimweh bekomme. Aber Moment mal, eins nach dem anderen, sonst geht mir das durcheinander: Wie kommt es, dass Sie mit so einem Namen Franzose sind?«
»Mein Vater war Deutscher, meine Mutter Französin. Eigentlich habe ich beide Staatsbürgerschaften, aber da ich in Paris geboren bin und vor allem dort studiert habe, zählen meine deutschen Wurzeln nicht mehr besonders.«
»Und darf man fragen, was Sie in diesem Loch machen? Urlaub?«
»Nicht gerade«, lächelte Eléazard, »obwohl meine Arbeit mir viele Freiheiten lässt. Ich bin Pressekorrespondent und brauche meiner Agentur nur dann und wann mal einen Bericht zu schicken. Da kein Mensch sich für Brasilien interessiert, wandert das alles in den Papierkorb, aber bezahlt werde ich trotzdem. Ich wohne seit zwei Jahren in Alcântara. Alfredo sagt, Sie sind auch Journalistin?«
Loredana war ihre Verwirrung anzusehen; sie errötete bis an die Ohren.
»Ja … das heißt, nein. Ich habe ihm nicht die Wahrheit gesagt. Sagen wir, ich bin geschäftlich hier. Aber erzählen Sie das bitte nicht überall herum; wenn das bekannt wird, also ich meine, wenn die Brasilianer es erfahren, könnte das ungünstig für mich sein.«
Loredana war wütend auf sich selbst. Was für ein Teufel ritt sie denn!? Dem
pockennarbigen
Anwalt in São Luís (sie nannte diese schuftig wirkende Gestalt nie anders als so) hatte sie absolute Geheimhaltung versprechen müssen, und hier schüttete sie dem ersten Besten ihr Herz aus? Sie hatte sich gerade noch gebremst, aber wenn es ihm jetzt einfiele nachzufragen, würde sie mit dieser erneuten Lüge nicht weit kommen.
Ich dämliche Idiotin, lieber Himmel, ich dämliche Idiotin!, schalt sie sich innerlich und errötete noch stärker.
Die flammenden Wangen ließen sie aussehen wie ein Schulmädchen. Fast hätte Eléazard ihr dafür sogar ein Kompliment gemacht, besann sich aber, denn nichts war in dieser Situation so unangenehm, wie auch noch darauf angesprochen zu werden.
»Und in was für Geschäften?«, fragte er mit einem Anflug von Ironie. »Natürlich nur, wenn das nicht zu indiskret ist.«
»Nun, Edelsteine …« (Halt den Mund, Loredana, du bist wahnsinnig! Da kommst du nie wieder raus, schrie eine Stimme in ihrem Kopf.) »Aber ich würde lieber nicht darüber reden. Die Operation ist, wie soll ich sagen, am Rande des Legalen … Ich hoffe, Sie verstehen.«
»Ich werde Sie nicht damit plagen, keine Angst. Aber geben Sie auf sich acht, die brasilianischen Polizisten sind wahrlich nicht zimperlich, es würde mich schmerzen, wenn Sie denen in die Hände fallen.«
Er goss ihr
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