Wo Tiger zu Hause sind
mich zu fragen.
»Nichts einfacher als das, und nichts raffinierter. Höre, was ich sage, und denke, ich spräche Französisch:
Parley gar deck horse dupe ape
. Was hörst du? Nichts anderes als
›par les gardes corses du pape‹
– ›durch die korsischen Wachen des Papstes‹. Die gesamte Botschaft ist so geschrieben, du wirst sie leicht verstehen – ich lasse eine Abschrift da. Wartet hier auf mich, ich bin bald zurück.«
Kaum war er fort, da setzte ich mich rasch an den Brief & entschlüsselte den Text nach seinen Angaben:
Je donne licence à Charles de Créqui, Chevalier de mes ordres & Ambassadeur de France à Rome, d’œuvrer avec toute l’ardeur requise pour réparer l’insulte faite aux Français par les gardes corses du Pape. Par ma parole, j’approuve, ratifie & garantis tout ce qu’il aura décidé en vertu du présent message. Fait à Saint-Germain, le 26 août 1662 . Signé Louis & écrit de sa propre main.
[16]
In der Tat hatte wenige Wochen zuvor eine Messerstecherei im Palazzo Farnese viel Aufsehen erregt, und mir war klar, warum mein Meister versuchen musste, die zu befürchtende blutige Rache zu unterbinden. Bei jenem Handgemenge mit einigen päpstlichen Wachen war der Duc de Créqui schwer verletzt und als tot liegengelassen worden; nur mit Glück hatte er den Vorfall überlebt.
Alexander VII . war entzückt von Kirchers Meisterleistung. Die beiden Wachen, die den Botschafter angegriffen hatten, ließ er sogleich hängen & verfügte, dass die sich in Rom aufhaltenden Franzosen gründlich überwacht würden.
Dieser Vorfall, für Athanasius zunächst nur ein Vorwand, um seine Findigkeit unter Beweis zu stellen, führte in den Folgetagen zu Weiterungen. Kircher nämlich erkannte durch ihn, dass eine Geheimsprache ebenso nützlich war wie eine universelle Sprache & diese ergänzte wie Schatten das Licht. Hierbei war es meinem Meister keineswegs um Könige & andere Persönlichkeiten zu tun, die darauf erpicht sein mochten, ihre Worte zu verhüllen, sondern einzig um den Dienst an der Wahrheit. Einerseits nämlich war es ja gut, das Wissen zu verbreiten & zu vermehren, andererseits aber konnte es bisweilen nicht weniger notwendig sein, gewisse Kenntnisse denjenigen vorzubehalten, die sie als Einzige sinnvoll zu nutzen wussten. Zu diesem Behufe hatten die Priester des alten Ägypten die Hieroglyphen erfunden, doch auch andere Völker hatten entsprechend gehandelt, die Hebräer mit der Kabbala, die Chaldäer und sogar die Inkas in der Neuen Welt. So beschloss mein Meister, eine Sprache zu entwickeln, die tatsächlich nicht zu entschlüsseln wäre, & während ich letzte Hand an seine
Polygraphia
legte, widmete er sich ausschließlich diesem neuen Vorhaben.
Im Jahre 1664 ereignete sich ebenfalls die Rückkehr des Paters Johann Grueber nach Rom. Als dieser sich acht Jahre zuvor zum Aufbruch nach China anschickte, hatte er meinem Meister auf dessen Bitten hin versprochen, alles, was er sehen würde, aufmerksam zu beobachten & zu notieren, bis ins kleinste Detail hinein, das Kirchers Neugier auf dieses Land zu stillen vermochte.
Trotz der Strapazen der Reise wirkte Grueber jünger als seine einundvierzig Jahre. Ein stämmiger Mann mit massivem, aber anmutig geformtem Kopf, weichem Bart & recht langen schwarzen Haaren, die er nach hinten gekämmt trug. Seine Haut war vom Aufenthalt in den Wüsten getönt, seine Bewegungen gemessen & würdig. Aus seinen grauen, nach dem Aufenthalt in China fast mandelförmig wirkenden Augen blickte er scheu, fast verträumt in die Welt & schien immer noch jene wundersamen Weltgegenden zu durchstreifen, von denen er sich, so gestand er, nur voller Bedauern getrennt hatte.
Pater Heinrich Roth, der Reisegenosse Gruebers, bot einen frappierenden Gegensatz zu ihm: klein, schmächtig, mit spärlichem weißem Haarwuchs, glich er diese offenkundige körperliche Schwäche durch umso strengere Moral & Glaubensfestigkeit aus, die alle beeindruckten.
Nach den Freuden des Wiedersehens & einigen Tagen der Erholung begannen die beiden Patres, Kircher zu schildern, was alles sie auf ihren Fahrten gesehen und erlebt hatten. Sie wussten, dass mein Meister ein größeres Werk über China vorbereitete, & waren demütig der Ansicht, eine eigene Veröffentlichung stehe ihnen daher nicht an; da ihre kostbaren Erinnerungen jedoch nicht in irgendeinem Winkel der Bibliothek zum Fraß der Milben & Würmer werden sollten, vertrauten sie alles Kircher an, auf dass
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