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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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Bewusstlosigkeit wegen des Alkohols und der Drogen war ihr der Trost, den sie sich von der Welt der
Orixás
erhofft hatte, verwehrt geblieben. Diese erneute Niederlage war entmutigend. Auf ihren Schläfen brach Schweiß aus, auch den Rücken rann er ihr in feindseligen Bächen hinunter. Lieber sterben, dachte sie in ihrer Verwirrung, als die Ungewissheit zu ertragen, wie lange ich noch leben darf. Diese immer wieder verlängerte Schonfrist war grauenhaft.
    Etwas später ging sie hinunter, um etwas zu essen. Zu ihrer Erleichterung war von Alfredo nichts zu sehen. Socorró knurrte zwar, das sei doch keine Zeit zum Mittagessen, brachte ihr dann aber doch einen Teller von der
Feijoada
, die in der Küche schmurgelte. Kaum hatte die Alte ihr den Rücken zugedreht, da spuckte Loredana den ersten Mundvoll gleich wieder aus. Allein bei der Vorstellung, etwas hinunterzuschlucken, wurde ihr übel. Ein Magenkrampf ließ sie das Schlimmste befürchten, sie stand auf, wollte in ihr Zimmer zurück, da kam Socorró an und legte einen Brief auf den Tisch. Ohne hinzublicken, wusste Loredana, worum es sich handelte.
    »Schmeckt es Ihnen nicht?«, fragte Socorró mit einem Blick auf den Teller.
    »Doch, doch«, brachte sie heraus, »aber ich bin krank. Ich muss ins Bett … Tun Sie es bitte nicht weg, ich esse es heute Abend. Es ist sehr gut, wirklich …«
    »Woher wollen Sie das wissen? Sie haben nicht mal gekostet.«
    »Entschuldigen Sie, Socorró, ich muss hoch, mir ist nicht gut.«
    Ihr wurde schwindlig, sie klammerte sich an die Rückenlehne des Stuhls, kämpfte gegen die Ohnmacht an.
    »Mit dem Gott des Friedhofs spielt man nicht«, murmelte die alte Frau und hakte sie unter, »Sie hätten nicht dorthin gehen sollen … Alfredo!«, rief sie, »komm mal her, der jungen Frau ist es nicht gut!«
    »Es geht schon, das ist nicht nötig«, flehte Loredana, ohne einen Schritt gehen zu können. »Es ist gleich vorbei …«
    Sie musste bis in ihr Zimmer gestützt werden. Alfredo hatte ein schmales Gesicht, doch weder sein Verhalten noch das, was er sagte, wirkten, als wäre es ihm peinlich, sie zu sehen. Er brachte ihr ein Alka-Seltzer und benahm sich auch sonst ganz normal. Loredana gelangte zu der Überzeugung, dass er sich an nichts erinnerte.
    Dann lag sie auf dem Bett und zögerte noch, den Brief zu öffnen: Sich nicht beeinflussen lassen, Für und Wider noch einmal abwägen, bis sie ihrer Entscheidung ganz und gar sicher war. Fetzen ihres Gesprächs mit Soledade kamen ihr in den Sinn, Bilder, worüber die Drohung ihres eigenen Todes eine schwarze Flut reiner Angst ausgoss.

Alcântara
    Das muss vor Gericht, Monsieur von Wogau!
    »Frau Gräfin? Welch eine Freude!« Eléazard blickte vom Computer auf.
    »Nennen Sie mich bitte Carlotta. Es tut mir furchtbar leid, dass ich so hereinplatze, aber die Kleine bestand darauf, dass ich hochkomme, ohne dass sie mich ankündigt.«
    Eléazard sprang hin, um ihre Hand zu ergreifen:
    »Recht so. Was kann ich Ihnen anbieten, einen Fruchtsaft, Tee, Kaffee?«
    »Nichts, danke …«
    Kurz hatte Eléazard gedacht, sie komme, um Loredana zu besuchen, doch ihr zerfurchtes Gesicht und die krampfartige Art, wie sie ihre Dokumententasche hielt, zeigten, dass es um etwas anderes ging.
    »Sie machen sich wahrscheinlich Sorgen wegen Ihres Sohnes?« Er wies auf einen Sessel. »Euclides hat erzählt, dass es keine Nachricht von der Expedition gibt …«
    »Sorgen ist gar kein Ausdruck … Ich bin wahnsinnig vor Angst. Sie sind jetzt offiziell für vermisst erklärt, und ab morgen sollen sie mit einem Armee-Hubschrauber gesucht werden.«
    »Ich kann Sie verstehen, aber ich habe volles Vertrauen zu Professor Walde. Ich bin ihm mehrmals begegnet, er wirkt nicht wie jemand, der sich leichtsinnig in Gefahr begibt. Er ist alles andere als ein Abenteurer, glauben Sie mir … Sie müssen irgendwie aufgehalten worden sein, in so einer Gegend ist das durchaus möglich. Walde wird toben, wenn er erfährt, dass so früh mit der Suche begonnen wurde.«
    »Ich bete zu Gott, dass Sie recht haben, Monsieur von Wogau … Doch das ist nicht der Grund meines Besuchs. Ich …« Sie biss sich auf die Lippen, schien kurz zu zögern, dann überwand sie sich: »Unterliegen nicht auch Journalisten einer Art Schweigepflicht?«
    »Genau wie Ärzte«, antwortete Eléazard, mit einem Mal hellwach. »Oder wie Priester, wenn Sie so wollen.«
    »Haben Sie heute schon die Zeitung gelesen?«
    »Noch nicht; heute Vormittag war ich erst

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