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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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Viertelliter werden genügen. Übelriechender Schweiß? Einreibungen unter den Armen, mehrmals täglich …«
    »Großer Gott!« Kircher hielt sich die Nase zu.
    »Alles wird verwendet, ich sagte es Euch ja … und damit nicht genug! Wisset, dass Kaiser Tu Tsung einst, um den hochgeschätzten Li Hsün zu heilen, den ›Großen Gelehrten für die Verehrung der Poesie‹, sich die eigenen Koteletten abschnitt, da deren Asche gut gegen Phlegmone ist … Eine Schlange hat Euch gebissen, und Ihr habt keinen Bezoar zur Hand – was tun? Keine Sorge: Zwölf Schamhaare, ausgiebig gelutscht, werden das Gift daran hindern, sich in Euren Eingeweiden auszubreiten. Eure Gattin erlebt eine schwere Niederkunft? Lasst sie einfach vierzehn derselben Haare schlucken, mit etwas Speck vermischt, und sie wird eine leichte Geburt haben …«
    »Was sind das bloß für Geschichten?« Kircher wischte sich Lachtränen von den Wangen. »Hätte ich nicht ein so unverbrüchliches Vertrauen in Euch, ich glaubte kein Wörtchen von dem, was Ihr erzählt!«
    »Und Ihr hättet unrecht, denn ich berichte hier nur Dinge, die in China allbekannt und jedem Chirurgen vertraut sind.«
    »Wenn Pater Roth Euch hören könnte!«, kicherte Kircher. Dann legte er sein Gesicht in gespielte Zornesfalten und drohte Bernini mit dem Finger: »Oh, wie klug waren jene Heiden, die Männern über fünfzig Lebensjahren untersagten, einen Arzt hinzuzuziehen, da dies allzu viel Liebe zum Leben verrate! Bei den Chinesen & wie viel mehr bei den Christen findet Ihr Männer von achtzig Jahren und älter, die durchaus nichts vom Jenseits hören wollen, als wären sie nicht längst reif, es zu sehen. Wisst Ihr nicht, dass Kain, dem bösesten Menschen auf Erden, das Leben als Strafe für seine Untat gegeben wurde? Und bei Euch soll es als Belohnung dastehen?«
    »Aber man muss doch leben, die Welt sehen …«, entgegnete Bernini im selben komödiantischen Ton wie einer, dessen Verteidigung bereits erlahmt.
    »Was ist denn zu leben anderes als sich anziehen & ausziehen, aufstehen & schlafen gehen, essen & trinken & schlafen, spielen, scherzen, handeln, kaufen & verkaufen, mauern, zimmern, streiten, zanken, reisen & stets Gefangener eines Körpers zu sein, wie man es eines Kindes ist, eines Kranken oder eines Verrückten?«
    »Ihr vergesst, Hochwürden, eine wichtige Sache, die allein schon meine Existenz erklären würde …«
    »Vade retro, Satanas!«
, rief Kircher mit fröhlich funkelnden Augen. »Man muss die Welt sehen, sagt Ihr, & mit den Lebenden leben! Doch lebtet Ihr Euer ganzes Leben lang in einem Gefängnis und sähet die Welt durch das Gitter an, so hättet Ihr doch genug von ihr gesehen. Was sieht man schon auf der Straße außer Menschen, Häusern, Pferden, Maultieren und Kutschen …«
    »Und Frauen, Hochwürden … schön gewachsene Mädchen, knusprige kleine, die den Appetit wecken!«
    »Frauenzimmer, die nach Tang und Algen riechen! Hetären wie betrunkene Fische im Wasser, deren einziger Verdienst darin besteht, dass sie Euch mit der Spanischen Krankheit ins Jenseits befördern! Oh Gott, wie eitel ist unser Dasein! Und nur um dessentwillen täuschen wir Gott und scheiden von ihm & suchen so viele Jahre lang zu leben, die doch nur aus Narrheit gewebt sind, aus Arbeit & Elend? Ah, ihr Christen, wärt ihr doch anders als jene kleinen Kindlein, die schreien, wenn sie aus Blut & Schlamm ans Licht des Tags geboren werden & dennoch nie wieder dorthin zurückwollen, woher sie gekommen!«
    »Wie man’s nimmt …«, meinte Bernini listig.
    »Ich bitte Euch!« Ich war ganz rot vor Verwirrung.
    Die drei Gevatter mokierten sich freundlich über mich.
    »Na komm schon, Caspar«, meinte mein Meister, »das ist doch nur Geplänkel, & ich kann dir versichern, es ist nichts Schlimmes daran. Man kann alles verspotten, sagte der arme Scarron, denn alles hat eine Rückseite. Lach dem Teufel ins Gesicht, & du wirst allsogleich sehen, wie ungefährlich er ist, denn er hat keine Macht über jene, welche seine groteske Seite erkennen.«
    »Wenn wir nun schon dabei sind«, flüsterte Grueber Bernini zu, »so will ich Euch nicht verbergen, dass es im Kampf gegen das Altern eine probate Methode gibt; jedenfalls jenem Chinesen zufolge, der sie mir verriet. Der Mensch ist in der Luft, erläuterte er, & die Luft im Menschen, womit er die Wichtigkeit des Lebensodems meinte. Da dessen Wirkung mit dem Alter abnimmt, heißt es, ihn regelmäßig durch Zuführung eines

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