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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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noch jugendlichen Odems zu regenerieren … Regelmäßig erkaufte er sich also die Dienste eines jungen Mädchens oder Knaben, die ihm ihre überschießende Vitalität in die Nasenlöcher, den Nabel oder das männliche Glied einbliesen!«
    »Guter Gott, wenn’s das nur ist!«, rief Bernini belustigt, »dann kann ich Euch erzählen, dass ich diese Medizin seit langem befolge, & zwar ohne andere Wirkung als vermehrte Müdigkeit …«
    In diesem Ton lief das Gespräch zwischen Grueber & Bernini weiter, doch war ich nicht mehr ganz bei der Sache: Mein Meister hatte einen etwas abwesenden Blick & schien in sich gekehrt. Ich dachte, er mochte natürlicherweise zu dieser späten Stunde etwas müde sein, was sich zu bestätigen schien, denn er verließ bald den Tisch & begab sich in das Nebenzimmer. Als er nach längerer Zeit nicht wiederkam, folgte ich ihm, recht vorsichtig, denn beim Aufstehen hatte mich ein Schwindel erfasst. Kircher stand vor einem Bücherschrank & schien die darin enthaltenen Bände zu ordnen; doch als ich näher trat, sah ich, dass er nur einfach die Rücken sorgfältig ausrichtete … Trotz meiner eigenen Benommenheit war ich von dieser ungewöhnlichen Handlung doch recht beunruhigt; ein rascher Rundblick im Zimmer bestätigte mich darin: In einer seltsamen Manie hatte Kircher sämtliche Gegenstände nach Größe angeordnet, die sich dafür eignen mochten. Schreibfedern, Tintenfässer, Siegellack, Manuskripte, mit einem Worte alles, was sich in so einem Kabinett befinden kann, hatte er so aufgereiht, wodurch mir doch zutiefst unwohl wurde. Man wird mein Entsetzen begreifen, als mein Meister sich langsam zu mir umdrehte & mich mit den Augen eines toten Fisches anblickte:
    »Der Geist, Caspar«, sprach er mit erloschener Stimme, »der Geist wird der Materie stets überlegen sein … So muss es einfach sein, ob man will oder nicht, bis ans Ende der Welt! Das verstehst du doch, oder? Sag mir, dass du das verstehst …«
    In dem fiebrigen Zustand, in dem ich mich befand, hätte ich noch ganz andere Reden verstanden. Also nickte ich rasch & bedeutete Kircher, er solle doch schlafen gehen. Er ließ sich ohne Widerstand zu Bett geleiten; & danach begab ich mich wieder zu unseren beiden Besuchern.
    »… dass die Inkas, die Herrscher Perus«, sagte Grueber gerade, »zum Ritter erhoben werden, indem sie sich die Ohrläppchen durchstechen lassen. Ich rede nicht von den Frauen; zu allen Zeiten & an allen Orten war das ja eine ihrer größten Eitelkeiten. Daher auch Senecas Klage, sie trügen an jedem Ohr das Zwei- oder Dreifache ihres Erbes. Welche Tadelsworte hätte er dann erst gegen die Frauen der Lolo in der Provinz Yünnan gefunden, welche sich die intimsten Stellen ihres Körpers durchstechen und dort Goldringe tragen, die sie an- und ablegen, wie es ihnen gefällt?! Nun sind die Männer nicht besser, denn sie befestigen kleine Glöckchen aus verschiedenen Metallen an ihrem Glied oder aber unter die Vorhaut gesteckt und bimmeln damit, wenn sie auf der Straße eine Frau sehen, die ihnen gefällt. Manche erkennen in dieser Erfindung ein Mittel gegen die allenthalben verbreitete Sodomie, doch kann ich kaum entdecken, wie es daran hindern soll, ihr zu frönen.«
    Ich nutzte diesen Einschnitt, um Cavaliere Bernini & seinen Tischgenossen über die meinem Meister widerfahrenen Unbilden zu informieren. Grueber zeigte sich durchaus nicht überrascht. Lächelnd erklärte er mir, dass das
Quei
bisweilen diese Art von Verwirrung zeitige, dies aber ganz ungefährlich sei; am nächsten Morgen sei es überstanden. Beide entschuldigten sich, mich so lange beansprucht zu haben, und verabschiedeten sich alsbald, mir eine geruhsame Nacht wünschend.
    Leider bewahrheiteten sich diese Wünsche keineswegs, sondern ich erlebte scheußliche Albträume. Nicht einmal der Bußgürtel vermochte zu verhindern, dass empörende Sukkuben mich heimsuchten.
    Wie von Grueber vorhergesagt, erwachte mein Meister am nächsten Morgen frisch & munter & versicherte mir, das
Quei
habe keinerlei Wirkung auf ihn gehabt. Wie auch immer, meinte er, dieses Mittel & seinesgleichen vertrieben weniger unsere Mattigkeit als unseren Geist. Daher fand er keinerlei Entschuldigung für ihren Gebrauch, weder für geistig Gesunde, welche die göttliche Klarheit in sich doch eher zu erhöhen als zu mindern suchen sollten, noch für die Verrückten, die ihrer bereits verlustig seien. Die teuflischen Träume der vergangenen Nacht vor Augen,

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