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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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Intelligenz im Vorübergehen in den Wäldern frische Zweige abreißen, diese mit ihrem Rüssel hochheben &, die Augen zum jungen Mond gewandt, sie sacht hin- und herschwenken, als beteten sie zur Göttin Isis, um sie wohlwollend & günstig gesinnt zu stimmen.«
    »Ohne zu vergessen«, warf Grueber ein, »und daran dachte ich, als ich mir gestattete, diesen Vorschlag zu machen, welch hohen Wert die Einwohner Asiens ihm zumessen. Für sie trägt der Elefant – ganz wie bei den Griechen Atlas – die Welt: Seine Beine sind für seinen Leib das, was die vier Säulen für das Himmelszelt. Die Brahmanen & Tibeter verehren ihn unter dem Namen Ganesh, & in der Fabel der Chinesen über die Weltentstehung gebiert er den Gott Fo Hi … Wenn Ihr also diesen Obelisken auf seinen Rücken stellt, wie es auch auf einer Illustration in Poliphilos
Traumliebeskampf
zu sehen ist …«
    »… so lassen wir«, fuhr mein Meister erregt fort, »die passende Hieroglyphe, nämlich Intelligenz, Macht, Umsicht & Frömmigkeit das kosmische Universum tragen, überragt von der göttlichen Allwissenheit; mit anderen Worten die Kirche als Stütze Gottes oder aber den Heiligen Vater selbst, der dank seiner Tugend & Großzügigkeit die antike Weisheit endlich wiedererstehen lässt! Und kein Symbol wird je Minerva, der dieser Platz schließlich gewidmet ist, besser geehrt haben denn dies!«
    »Großartig!«, rief Bernini. »Doch wo finde ich einen Elefanten zur Anschauung?«
    »Ganz einfach, im Kolosseum«, antwortete Grueber, als handelte es sich um eine Selbstverständlichkeit. Und angesichts der perplexen Miene des Bildhauers erläuterte er: »Eine Schar Zigeuner zeigt dort für einige Münzen wilde Tiere, darunter das von Euch gesuchte …«
    »Dann eile ich«, sagte Bernini ohne weiteres Nachdenken. »Ich will so schnell ans Werk gehen wie nur möglich.«
    Als er aufgebrochen war, pries mein Meister Grueber ob seines Einfallsreichtums. Je länger er darüber nachdachte, desto reicher an Symbolkraft erschien ihm dieses Tier. Von den ersten drei Interpretationen ausgehend, schloss er auf andere, weniger naheliegende, doch ebenso schlüssige, & besonders hatte es ihm die Analogie zwischen dem päpstlichen Amte & dem Einfluss Mophtas, des höchsten Geisteswesens, auf unsere Welt hinieden angetan.
    »Müsste ich nicht befürchten, Alexanders natürliche Bescheidenheit zu kränken«, vertraute er uns abschließend an, »ich würde das Monument den ›Auferstandenen Osiris‹ nennen, & alles wäre in einer sublimen Kurzformel gefasst …«
    Zwei Wochen später verfügte Cavaliere Bernini über genügend Entwurfszeichnungen, dass er das Projekt dem Pontifex Maximus präsentieren konnte. Dieser hieß es ohne Vorbehalt gut, & unser Bildhauer begab sich allsogleich in die Florentiner Steinbrüche, um einen geeigneten Marmorblock zu suchen. Mein Meister indes machte an seinem Nachtschlaf weitere Abstriche, um das Werk zu verfassen, das die Errichtung des Monuments begleiten sollte.
    Als also im Februar 1666 Berninis Arbeit dem Publikum übergeben ward, erschien zugleich der
Obeliscus Alexandrinus
, ein nicht zu dicker Band, in dem mein Meister erneut seine tiefe Kenntnis von Ägypten & der Hieroglyphen ausbreitete. Natürlich fand man darin die kommentierte Übersetzung des ägyptischen Textes, aber auch eine Idealrekonstruktion des Isis-Tempels in Rom, aus dem der Obelisk ursprünglich stammte. Im Bestreben, hier nichts zu wiederholen, das er bereits im
Obeliscus Pamphilius
 & im
Œdipus Ægyptiacus
so erschöpfend behandelt hatte, beschränkte Kircher sich auf die Darstellung & Interpretation zahlreicher Gegenstände aus seiner & anderen Sammlungen & unterstrich die Bedeutung der ägyptischen Kulte für das alte Rom. Schließlich ließ er sich ausführlich über die Symbolik des Werkes selbst aus, darüber, was es der ganzen Welt über die Verdienste des Heiligen Vaters bezüglich der Wahrung & Verbreitung des Christentums zu sagen wusste.
Dieser Obelisk der antiken Weisen
, so schrieb mein Meister,
errichtet, um den Glanz deines Namens erstrahlen zu lassen, er möge in alle vier Enden der Welt wirken & allen über Alexander reden, unter dessen wohltätiger Herrschaft er wiedererstanden ist!»
    Dank des Stellvertreters Christi & seiner Missionare strahlte Rom heute über die Welt wie einst Heliopolis … Und es darf behauptet werden, dass Athanasius’ Hingabe & Genie zu diesem Erfolg das ihre beitrugen.
    Grueber war nach

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