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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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deren sicherste jedenfalls Ketzerei gewesen sein dürfte. Und wenn es um die Angst vor dem Verlust eines Schatzes ging, musste der Autor wenigstens Blei in Gold zu verwandeln gelernt oder das Wasser des Lebens hergestellt haben. Ketzerische Kosmogonie oder alchimistische Abhandlung? Im ersten Falle hätten wir es mit einem Feigling zu tun, im zweiten mit einem Räuber, und in beiden mit einem Verrückten.
    Ob er es wenigstens selbst noch lesen konnte?
     
    PEINLICH. Da war ich unehrlich: Ich lächelte Alfredo zu, aber es galt Loredana, sollte sozusagen zu ihr überspringen. Ein banal komplizenhaftes Lächeln, das meine Überlegenheit bestärken sollte.
     
    SOGAR ROGER CAILLOIS findet in Kirchers Werken Material für seine Phantasie: »Aus denselben Gründen hege ich eine besondere Wertschätzung für eine Illustration, eine
Arche Noah
aus einem der zahlreichen Werke von Pater Athanasius Kircher, einem unterschätzten Großmeister im Reich des Ungewöhnlichen. Vor dem schwimmenden Schuppen, zwischen den Tierleibern, den Gliedmaßen von Menschen und Pferden sterben monströse Fische, sie sind doppelköpfig, oder ihre Augen sind mit den Blüten von Kreuzblütlern umstückt. Die ungeheure Überschwemmung ertränkt auch sie, sie ersticken geradezu im Übermaß ihres eigenen Elements. Das Schreckliche ist: Der Regen selbst scheint sie zu verschonen; sein aus furchterregenden Gewitterwolken niedergehender Vorhang endet auf mysteriöse Weise vor der verängstigten Herde der Sterbenden. Wer hätte gedacht, dass die Sintflut sogar noch die Wasserlebewesen vernichten sollte.«
(Im Herzen des Phantastischen)
     
    FLAUBERT, CALVINO, CAILLOIS …
     
    LETZTLICH HABE ICH BEI KIRCHER genau das gemocht, was ihn selber auch faszinierte: die vielgestaltige Merkwürdigkeit der Welt, ihre unendliche Fähigkeit zur Hervorbringung von Fabeln.
Wunderkammer
, ein Schlüsselwort … Märchenkabinett, Dachboden, Rumpelkammer, eine Spielzeugtruhe, die unser ursprüngliches Staunen verwahrt, unser fragiles Entdeckerschicksal.
     
    »DER KIRCHER-EFFEKT« : der Barock. Oder, wie Flaubert es schrieb, jenes verzweifelte Bedürfnis zu sagen, was sich nicht sagen lässt …
     
    UNTER ALLERLEI WEHKLAGEN und um ihm zu helfen, schneller zu sterben, sägen ein paar Jungs Bretter – die seines Sarges – vor der Tür eines Sterbenden. Sie
sägen den Alten
.
     
    ICH HABE ALLES VERPASST , mangels Teilnahme an der Welt …
     
    HÖCHSTE ZEIT , mir darüber klarzuwerden, was ich von meiner Arbeit an diesem Manuskript erwarte … Schott ist manchmal geradezu komisch vor lauter hagiographischer Anstrengung; ich bin es wahrscheinlich ebenso mit meinem permanenten Misstrauen.
     
    DIE EINZIG MÖGLICHE TRANSZENDENZ ist diejenige, in der der Mensch sich selbst übersteigt, um in sich oder anderen ein Mehr an Menschlichkeit zu finden.
     
    LOREDANA irrt sich, dies eine Mal …
     
    ZU DEN INDIOS , die jeden Tag erneut die Sonne zum Aufgehen zwingen: Wichtig ist die Unerschütterlichkeit, die Gewissheit, für die anderen eine Welt erstehen zu lassen, dabei wissen sie ja, dass diese Welt ganz von allein erstünde. Die Trommel der Dämmerung schlagen; allen Widerständen zum Trotz den Morgen heraufbeschwören, während die anderen noch schlafen.

28 . Kapitel
    Worin Kircher die Symbolik des Elefanten erklärt, beunruhigende Nachrichten aus China erhält & wegen des spanischen Königs um seine Sammlung bangen muss.
    K ein Tier ist weiser als der Elefant!«, wiederholte Kircher. »Allerdings lebt auf Erden auch kein mächtigeres, denn der Tiger selbst muss vor seiner Kraft & seinen schrecklichen Zähnen weichen. Dabei frisst dies Tier nur Gras, & es ist so nobel, dass es nur angreift, um jene zu strafen, die aus Unachtsamkeit oder Bosheit den Frieden seines Herrschaftsbereiches zu stören wagen. Doch auch dies tut er nur mit der größten Umsicht, denn wie jeder wahre Monarch es sollte, weiß er darum, dass es seine Taten & Worte abzuwägen gilt, dass er allen misstrauen & auf die eigene Sicherheit ebenso achtgeben muss wie auf die seiner Untertanen. Julius Caesar wusste das nur zu gut, denn auf seine Medaillen ließ er statt des eigenen Abbilds dasjenige des äthiopischen Mastodonten prägen. Ein umso sinnhafteres Bild, als Servius zufolge ›Elefant‹ auf Punisch ›kaïsar‹ hieß … Plinius sah dieses Tier als das ägyptische Symbol der Frömmigkeit an; tatsächlich versichert er uns, dass die Elefanten in ihrer natürlichen & geheimnisvollen

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