Wo Tiger zu Hause sind
Österreich zurückgekehrt, & Kircher arbeitete weiter an seinem Buch über China. Pater Heinrich Roth erwies sich als wertvoller Berater dank seiner Kenntnisse über Indien und das
Sanskrit
, die Sprache der Brahmanen, doch recht bald gestand mein Meister mir, die freudlose Konversation mit ihm führe dazu, dass er den jungen Grueber Tag um Tag mehr vermisse.
Zu jener Zeit erreichte uns ein höchst besorgniserregendes Schreiben des Paters Ferdinand Verbiest, des engsten Mitarbeiters von Adam Schall in unserer Mission in Peking. Die darin enthaltenen Nachrichten trafen Kircher zutiefst. Der Hinschied von Adam Schall, jenes alten Freundes, den er in seiner Jugend so glühend gern nach China begleitet hätte, ließ ihn mehrfach Tränen vergießen, eine Trauer, unter der bisweilen jähe Wut hervorblitzte.
»Hast du Begriffe, Caspar?«, rief er dann. »Unsere hervorragendsten Patres, Männer, die mehr als jeder andere der Religion & den Wissenschaften zur Ehre gereichen, diese Männer erdulden, ohne zu wanken, die tausend Leiden, welche ihnen die teuflische Unwissenheit der Heiden bereitet, lächelnd gehen sie ins schlimmste Martyrium, entschlossen, für den Glauben & die Zukunft der Welt zu sterben, & was ist ihre Belohnung? Das Vergessen, das ihnen zuteilwird, wäre schon ungerecht genug, doch gesellen sich dazu noch Verleugnung und Verleumdung! Wie soll man sich nicht empören, wenn die Jansenisten & Dominikaner, sogar die Franziskaner, die doch nichts wissen von den Sitten & Gebräuchen der Chinesen, unsere Mitbrüder beschuldigen, sie verbreiteten den Götzendienst, & wenn sie aus ihrer bequemen Unwissenheit heraus die wahren Verteidiger des Glaubens geißeln. Wenn die Religion den Menschen gegeben ist, um sie zu retten, so muss man ihr doch ein gastfreundliches Gesicht verleihen … Hat ein Arnauld, hat ein Pascal oder sonst einer von diesen Pseudo-Catos jemals eine Seele aus Luzifers Krallen gerettet? Mitnichten, sie sind wie Fliegen, die über allem schwirren, das fett ist, & den Glanz der vollkommensten & aufrichtigsten Dinge zu trüben trachten & unablässig mit tückischen Reden & zutiefst schmutzigen Verleumdungen das zu beflecken suchen, was in sich ganz rein & schön ist! Wie lange noch müssen wir die verachtenswerte Anmaßung dieser Hampelmänner ertragen?«
Dann beruhigte er sich, entsann sich wieder seines Freundes & fuhr mit gerunzelten Brauen in der Lektüre von Verbiests tragischem Berichte fort.
Die Ereignisse in der Pekinger Mission gelangten Pater Paul Oliva zu Ohren, dem elften General unseres Ordens, und er setzte unverzüglich Pater Verbiest an die Stelle Adam Schalls. Wie noch zu sehen sein wird, sollte er eine solche kapitale Entscheidung nicht zu bereuen haben.
Einige doch sehr düstere Tage über schien mein Meister sich kaum über dieses Unglück trösten zu können. Er vernachlässigte die laufende Arbeit & vertiefte sich in Gebet & Meditation. Schon wollte ich mir die größten Sorgen um seine Gesundheit machen, da erschien er eines schönen Morgens, ein Lächeln auf den Lippen & wie genesen.
»Gelobt sei der Herr!«, rief ich & faltete die Hände vor Freude, ihn solchermaßen gestimmt zu sehen.
»Er sei gelobt … Denn wir sind nichts ohne ihn, & ganz gewiss ist sein Wille in jenem Licht zu erkennen, das meinen Geist unvermittelt erhellt hat.«
Doch als er sich gerade anschickte, mir die Natur dieser Eingebung zu enthüllen, wurde das unerwartete Erscheinen des jungen, gerade einmal fünf Jahre alten Königs Karl II . von Spanien & seiner Mutter angekündigt, Maria Annas von Österreich, der Gattin & Witwe Philipps IV ., bis zur Volljährigkeit ihres hochwohlgeborenen Sohns Regentin des Reichs. Zwar wussten wir, dass sie sich in Rom aufhielten, wo das Königskind beim Pontifex Maximus vorsprechen wollte, doch waren wir himmelweit davon entfernt, einen solchen Besuch zu erwarten. Dennoch wunderte mein Meister sich nicht über die Maßen darob, war er es doch gewohnt, dass der Ruf seines Museums sogar gekrönte Häupter zu ihm brachte.
Sie erschienen in Begleitung mehrerer prunkvoll gewandeter Anstandsdamen, des Jesuitenpaters Neidhardt, dank der Gnade der Königinmutter jüngst zum Generalinquisitor & Premierminister erhoben, sowie dessen Neffen Don Luis Camacho. Dieser war erst dreizehn Jahre alt, doch brillierte er mit frühreifer Lebendigkeit des Geistes, ganz zu Recht der Stolz seines Onkels.
Kircher hatte sich mitnichten im Grunde ihres Besuchs
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