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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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Flößer ihre Stämme bis nach Buenos Aires oder Montevideo schafften. An Bäumen oder wurmstichigen, ins Ufer gerammten Pfosten festgemacht, hielten sich ein paar bunt angemalte Boote wundersam über Wasser, ein altes Kanonenboot mit Vorder- und Hinterdeck sowie das Schnellboot der Wasserpolizei. Lange, flachbodige Schuten aus Aluminium lagen umgedreht zwischen Pirogen und Tauwerk im Gras und funkelten gleißend in der Sonne.
    Wie jeder Geologiestudent hatte Mauro während seiner Seminare zahlreiche Feldstudien absolviert, doch nahm er jetzt zum ersten Mal an einer wahrhaftigen Expedition teil, und dann auch noch mit den Koryphäen seiner Hochschule. Detlef Walde hatte vor zwei Jahren gemeinsam mit Professor Othon Leonardos und einigen anderen deutschen Forschern Ruhm erworben, als sie in einem Steinbruch von Corumbá unverhofft ein Fossil entdeckten: einen Polypen, ganz ähnlich dem in verschiedenen Weltgegenden bereits nachgewiesenen Stephanoscyphus, der sich aber in seinem Bau deutlich von diesem unterschied, zumal durch das Vorhandensein von Sekundärpolypen. Diverse Spezialisten, darunter auch Elaine von Wogau, analysierten die nach Brasilia gebrachten Proben und datierten das Alter auf 600  Millionen Jahre, außerdem wiesen sie nach, dass das Fossil einem urzeitlichen Zweig in der Entwicklung der Scyphozoen angehörte: Nicht nur war es der erste jemals in Südamerika entdeckte Fund aus dem Präkambrium, sondern auch noch ein besonders alter. Auf den Namen
Corumbella Wernerii, Hahn, Hahn, Leonardos & Walde
getauft, bescherte er Detlef und seiner Gruppe internationales Ansehen.
    Letztes Jahr war Detlef nach Mato Grosso zurückgekehrt, um weitere Proben zu suchen, und als gerüchtweise bekannt wurde, dass ein verrückter Deutscher gute Preise für Abdrücke im Gestein zahlte, brachte ihm ein Fischer so einen Brocken, den er zufällig weit oben im Norden des Pantanal gefunden hatte. Die Anaylsen ergaben, dass man es hier mit einem weiteren präkambrischen Fund zu tun hatte, nicht nur älter noch als
Corumbella
, sondern eine völlig neue Art Stachelhäuter, die nicht einmal aus der so ergiebigen Lagerstätte in den australischen Ediacara-Hügeln bekannt war.
    Die Aussicht, seinen Namen mit einer neuentdeckten Tierart zu verbinden, versetzt jeden Forscher in fiebrige Aufregung, aber Milton hatte sie nachgerade zur Bestie werden lassen: Ganz besessen vom Gedanken an das erträumte Amt, hatte er Othon Leonardos mittels verschiedener Intrigen aus der Expedition verdrängt und seinen Platz eingenommen. Mauro verurteilte ebenso wie Detlef und Elaine dieses Vorgehen als eines echten Forschers unwürdig. Doch angesichts von Miltons Position musste man sich damit abfinden oder konnte die weitere Tätigkeit an dieser Universität in den Wind schreiben.
    Alles in allem zählte ja nur, die Kenntnis von unserer Welt zu vermehren. Dieses in direkter Linie von der »Urfauna« abstammende Fossil verhieß einen phantastischen Fortschritt in der Erkundung der Ursprünge des Lebens, und auch Mauro, warum sich dessen schämen, glühte darauf, an diesem Glanzstück mitzuwirken.
    Und außerdem würde es seinem Vater den Mund verschließen. Ein für alle Mal, zumindest hoffte er das.
    Zu verabredeter Stunde fanden sich alle vier auf der Terrasse im letzten Stockwerk des Hotels ein. Detlef rekapitulierte die verschiedenen Aufgaben eines jeden Teilnehmers ihrer Expedition. Logistisch gesehen, lief alles wie geplant, abgesehen von der Schwierigkeit, genug Treibstoff für das Boot zu beschaffen. Bislang habe er nur die Hälfte der nötigen Menge beieinander, doch sei dieses Problem so gut wie gelöst, zu nur geringfügig höheren Kosten. Milton erinnerte daran, dass ihnen genügend Mittel zur Verfügung stünden, um sämtliche Treibstoffvorräte von ganz Corumbá aufzukaufen, also aßen sie in guter Ruhe zu Mittag.
    Gegen drei Uhr nachmittags führte Detlef sie zum Steinbruch, wo sie den Ort in Augenschein nehmen sollten, an dem
Corumbella Wernerii
zu finden war, und um vielleicht sogar neue Proben zu entdecken. Nachdem er ihnen die schmale Lehmschicht gezeigt hatte, auf die sie sich konzentrieren sollten, verabschiedete sich Detlef mit dem Hinweis, später am Nachmittag erwarte er sie im
Esther
.
    Bevor er in das Taxi stieg, drehte er sich noch einmal um und sah, wie Elaine und Mauro am Hang knieten und mit ihren Hämmern arbeiteten. Die Hände in den Hosentaschen, den Panamahut auf den Ohren, stand Milton daneben und sah ihnen zu, wie

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