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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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eingeschlossen hatte. Er hatte den Gott wirksam beschworen, ihn gezwungen, zu ihm zu sprechen. Bereits heute Nacht würde das Volk der Apapoçuva zu den Ursprüngen zurückkehren, zu jenem Moment, da alle Dinge gleich sind, da alles gleichermaßen möglich erscheint und man noch nicht das Los gewählt hatte, oh Gott, zu sein, wer man war …
    »Etegosi xalta«
, er wandte sich an Elaine,
»fuera terrominia tramad mipisom!«
    Mit hochgezogenen Augenbrauen erkannte Mauro die biblische Intonation des Schamanen, musste sich kurz konzentrieren, um die Silben korrekt auseinanderzusortieren, und übersetzte:
    »
Und ich, wenn ich der Erde enthoben werde, ziehe an mich die Gesamtheit des Irdischen
 … Keine Ahnung, woher er das jetzt wieder hat!«
    »Das ist doch ganz und gar wahnsinnig …« Elaine blickte dem Schamanen nach, der davonschritt. »Ich fasse es nicht … Wir sind am Ende der Welt, bei Typen, so nackt wie Würmer, die nie einen Weißen gesehen haben, und dann spricht der Latein und bringt uns exakt die Fossilien, wegen denen wir losgezogen sind … Ich glaub, ich krieg gleich einen Lachkrampf!«
    »Das wäre aber unpassend«, sagte Mauro, der gegen denselben Impuls anzukämpfen hatte.
    Sogar Petersen lächelte, von Reichtümern träumend.
    Der Schamane kam wieder zu ihnen, diesmal von ein paar Indios begleitet. Sein taumelnder Gang und der schwarze Rotz auf seinem Oberkörper verrieten, dass er eben eine Dosis
epena
eingenommen hatte. Gebieterisch drückte er Petersen und Mauro die Enden jener Rohre in die Hand, durch die das rituelle Pulver geblasen wurde. Herman wollte sich weigern, doch darauf reagierte der Schamane derart empört, dass er sich schnellstens fügte. Mauro zögerte nicht einmal, er gab sich ganz der aufgekratzten Belustigung hin, bereit, die absurde Übung bis zum Schluss mitzumachen und alles mit sich anstellen zu lassen. Beide erhielten eine Dosis in jedes Nasenloch. Die Heftigkeit der Wirkung nahm ihnen den Atem. Sie schlugen sich die Hände vors Gesicht, ächzend, die Nasenhöhlen weißglühend, das Hirn von Lichtexplosionen durchzuckt.
    Elaine war nur zu froh, dass man ihr nicht dieselben Ehren erwies wie ihren Gefährten. Flöten ließen grelle Wehklagen hören, Harzfackeln vertrieben die hereinbrechende Dunkelheit.
    »Mann, das haut vielleicht rein!« Mauro wischte den dicken Schleim weg, der ihm aus der Nase troff. »Nicht zu glauben!«
    Die Droge ließ ihm alles vor den Augen verschwimmen, verwischte die Dinge um ihn herum und vervielfachte so die Wirkung auf seine Sinnesnerven. Als hätte man ihm im Kopf drin so eine zweifarbige Brille aufgesetzt, versuchte er es Elaine zu erklären, wie um 3 -D-Bilder anzusehen … er sah alles in Rot-Grün, verzerrt und grotesk, und kommentierte es fröhlich glucksend. Dieselbe Euphorie hatte sich Petersens bemächtigt, nur war der weniger mitteilsam als Mauro und lachte vor sich hin, in langen, schweigsamen Zuckungen.
    »Und einen Ständer kriegt man auch davon!«, rief Mauro und legte sich Elaines Hand zwischen die Beine, ebenso selbstverständlich, wie wenn man eine unschuldige Beule betasten lässt. »Wirklich, das musst du auch mal versuchen!«
    Brüsk zog Elaine die Hand zurück. Mauro ließ alle Zurückhaltung fahren, verhielt sich immer grotesker. Sein Gesicht zuckte unkontrolliert, er wurde zudringlich, wollte ihr an die Brüste gehen. Sie war froh, dass der Schamane wiederkam:
    »Zu den Vögeln gehen«, sagte er und wedelte mit Tukan- und Eisvogelbälgen, »den Körper leicht machen, um einen leichten Geist zu haben …«
    Als Mauro begriff, dass die Indios ihn so einkleiden wollten wie sich selbst, zog er sich ungeniert aus und ließ sie seinen gesamten Körper mit Rot vom Rukustrauch, dann mit blauem Jenipapo bemalen. Sie banden ihm lange Federbüschel um die Schultern, rieben ihm Klebstoff in die Haare und streuten Daunen darauf. Schließlich banden sie ihm die Vorhaut mit einer Bastschnur auf den Bauch hoch. Petersen fühlte seine Gliedmaßen unterdessen immer schwerer werden. Unfähig nachzudenken oder zu reagieren, ließ er sich widerstandslos verkleiden, wie eine Lehmkugel zwischen ihren Händen. Ungerührt sah er zu, wie eines seiner Koks-Päckchen von dem Indio, der ihn bemalte, zertreten wurde.
    »Ja, großartig!«, rief Mauro, als sie mit Petersen fertig waren. »Du siehst aus wie ein alter Papagei, Herman! ein alter, struppiger Ara!«
    Und er schlug sich lachend auf die Schenkel.
    Der Schamane legte Elaine behutsam

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