Wo Tiger zu Hause sind
zahlreiche Mumien mitgebracht sowie Gegenstände & Manuskripte, die sonst nirgends erhältlich waren, hinzu noch die wertvollen Informationen, die ein erleuchteter Geist während solcherlei Reisen ansammeln kann. Über seine Kenntnis von Ägypten und den Orient hinaus jedoch war er insonderheit bekannt dafür, die Ruinen des Turms von Babel gesehen zu haben, wovon er einen schönen granitenen Stein mitgebracht hatte, welchen er in der Folge Athanasius schenkte.
Pater Giambattista Riccioli, der seiner Rückkehr aus Indien beigewohnt hatte, berichtete uns oft und gern vom seinerzeit gesehenen Prunk.
»Man muss wissen«, so sagte er, »dass della Valle im Jahre 1623 in Bagdad eine Perserin geheiratet hatte, eine Christin nach orientalischem Ritus. Diese Sitti Maani Gioerida, so war ihr Name, vereinte in sich alle Schönheiten der Frauen überhaupt & des Orients, doch bereits wenige Monate nach der Hochzeit starb sie an einer Fehlgeburt. Zur Verzweiflung ob des Verlusts seiner jungen Gefährtin gesellte sich jene, sie in nicht geweihter Erde bestatten zu müssen, & so ließ Pietro della Valle sie lieber nach den bewährtesten Methoden einbalsamieren, um sie nach Rom zu bringen. So reiste er vier Jahre lang in Begleitung der Mumie seiner Gattin. Kaum wieder in der Heimat angelangt, veranstaltete er ihr eine prunkvolle Beisetzung, zu prunkvoll vielleicht für eine einfache Perserin, doch jedenfalls der Liebe würdig, die er für sie hegte. Auf dem von vierundzwanzig Schimmeln gezogenen Leichenwagen hatte man einen Katafalk errichtet; vier Rundsockel trugen darauf die allegorischen Figuren der ehelichen Liebe, der Eintracht, der Großmut & der Geduld. Diese Figuren deuteten mit der Hand auf den gläsernen Sarg, in dem Sitti Maani ruhte, & in der anderen hielten sie einen Zypressenzweig, an dem all die Verse hingen, welche sämtliche Akademiemitglieder Roms auf den Tod der Dame verfertigt hatten.«
Athanasius Kircher war von dem Manne höchst eingenommen. Bereits bei ihrer ersten Begegnung vertraute er ihm ohne alle Scheu seine Gedanken & Pläne an, beschrieb die Feste, die er in Ingolstadt veranstaltet hatte, & überzeugte Pietro della Valle alsbald von seiner Überlegenheit in Sachen Hieroglyphen. Beeindruckt vom Wissen eines Mannes, der doch bislang lediglich in Europa gereist war, & zugleich von seinem Esprit bezaubert, zeigte della Valle sich bereit, ihm das von den Gelehrten so begehrte Wörterbuch auszuhändigen, dessen eingehende Untersuchung meinen Meister überzeugte, dass die koptische Sprache der unabdingbare Zwischenschritt für die Entzifferung der Hieroglyphen war. Und im Jahre 1635 – nachdem Tommaso di Novara bereits 1632 hingeschieden war – übertrug Pietro della Valle, hierin von Kardinal Barberini unterstützt, Kircher alleinig die Herausgabe des genannten Werkes.
Der Folgemonat jedoch brachte die trauervolle Nachricht vom Tode Friedrich von Spees. Er war in deutschen Landen geblieben und hatte dort weiterhin hartnäckig gegen die fanatisch eifernden Inquisitoren gewirkt, doch nun hatte ihn die Pest dahingerafft, während der Einnahme Triers durch die Kaiserlichen, wo er die von diesem schrecklichen Übel befallenen Verletzten pflegte. Mein Meister zeigte sich von jenem verfrühten Hinschied höchlichst betrübt, & ab diesem Tage vertrieb er sich bisweilen seine Trauer, indem er mir die glücklichen Erinnerungen schilderte, die er von seinem Freunde bewahrte.
Nach zwei Jahren hingebungsvoller Arbeit veröffentlichte Kircher im Jahre 1636 ein kleines Buch im Quartformat mit 330 Seiten, den
Prodromus Copticus Sive Ægyptiacus
, in dem er seine Lehrmeinung über die geheimnisvolle Sprache der Ägypter darlegte & die Methode, der seine künftige Arbeit folgen sollte. Nachdem er dort die verwandtschaftlichen Beziehungen des Koptischen und des Griechischen erörterte, legte er die Notwendigkeit dar, über das Studium der Ersteren zu der Hoffnung zu gelangen, eines Tages die Hieroglyphen vollständig ergründen zu können. Schließlich äußerte er dort erstmals jene große Wahrheit, die seinen bekannten nachmaligen Ruhm begründen sollte, nämlich dass die Hieroglyphen keine irgend geartete Schrift seien, sondern ein System von Symbolen, das höchst subtil die theologischen Gedanken der Priester des alten Ägyptens auszudrücken vermag.
Der
Prodromus
erfuhr einen weithin reichenden Erfolg; Kircher erhielt Zuschriften von allen kultivierten Persönlichkeiten seiner Zeit & zumal die
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