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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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Verstorbenen.
    Beim Gedanken an die Sammlungen, die nach unserer Abreise in Rom eintreffen sollten, war Kircher schier außer sich vor Freude. Entschlossen, seine eigene Wunderkammer zu begründen, wurden ihm zu diesem Behufe dank der Fürsprache von Kardinal Barberini mehrere Säle des Collegium Romanum bereitgestellt. Dort sollten die Kisten gelagert werden, bis das künftige
Kircher-Museum
errichtet würde, das berühmteste Kuriositäten-Kabinett, das es je gegeben hat.

Fortaleza
    O indio não é bicho.
    Die Sonnenbrille im Gesicht, in ledernen Keilhosen und langärmeligem T-Shirt, um die Einstiche zu verbergen – die Filiale des Banco do Brasil, wo sie ein Konto eröffnet hatte, befand sich auf dem Uni-Campus –, wartete Moéma, dass sie an die Reihe kam. Gleich nach Erhalt des Schecks ihres Vaters hatte sie ihn eilig einem gewissen Alexandros Constantinopoulos geschickt, jenem Griechen in Rio, dessen Postfachnummer sie von einem Freund hatte und der egal welche Summe in Devisen, die man ihm aushändigte, zu verdoppeln versprach. Die Bank hatte ihr jetzt telefonisch mitgeteilt, es sei eine Eilüberweisung per Fax für sie eingetroffen. Das war doch magisch! Wie ein Roulettespiel, in dem man bei jeder Runde gewann. Ein entferntes schlechtes Gewissen beschwor den kurzen Brief herauf, der den Scheck begleitet hatte: »
Ich mache mir schon ein bisschen Sorgen … sicher zu viel. Du bist und bleibst eben mein kleines Mädchen, ich kann nichts dafür. Pass auf dich auf, Liebes, und vergiss nicht, du bist mir so wichtig, dagegen ist mein eigenes Leben nichtig.«
Sie konnte noch so sehr versuchen, diese Sätze unter den Teppich zu kehren, sie steckten immer wieder die Köpfe hervor, hämisch grinsend. Ihr Vater hatte weder das Geld noch ihren Plan mit der Bar angesprochen, aber genau diese Zurückhaltung brachte sie auf die Palme. ›Dem ist ja ganz egal, was aus mir wird‹, dachte sie. ›Ein paar gute Worte, Geld rübergeschoben, und hopp!, das war’s. Alter Idiot. Immer so selbstsicher, vor allem, wenn er so tut, als hätte er Zweifel. Der wird nie was verstehen …
»Du bist mir so wichtig, dagegen ist mein eigenes Leben nichtig.«
 … Muss man sich mal vorstellen, sogar einen Reim hat er untergebracht! Hat er sicher lange dran gebastelt!‹
    Dennoch konnten diese Vorwürfe nicht ihr Schuldgefühl zerstreuen. »
Heidegger geht es gut, so gut, wie man es von einem dummen alten Papageien erwarten kann. Er kreischt immer noch seinen Lieblingssatz und schält alles, was ihm unter den Schnabel kommt, als wäre es von kosmischer Wichtigkeit, dass nichts auf der Welt eine Schale behält. Um ehrlich zu sein, so langsam fange ich an, ihm ein bisschen zu ähneln …«
Als sie dieses zerknirschte Geständnis gelesen hatte, wäre Moéma ums Haar in den Zug gesprungen, um ihren Vater zu trösten. Heute aber, in dieser Schlange, die nicht voranzukommen schien, stampfte sie vor Ungeduld auf, um ihren Unwillen wiederzuerlangen. Dieser Versager! Ob er wohl irgendwann einmal die Dinge ganz einfach aussprechen würde, ohne sie hinter diesem ewigen literarischen Zartgefühl zu tarnen? Warum schrieb er nicht einfach: »Moéma, ich habe dich lieb, du fehlst mir, aber ich schicke dir das Geld erst, wenn du mir beweist, dass du in der Lage bist, allein im Leben zu bestehen, ohne mich …« Sofort war ihr klar, dass das keinen Sinn ergab: Sobald sie so weit wäre, würde sie ihn nicht mehr um Geld bitten müssen,
porra!
Also eher: »Hör auf, so herumzuspinnen! Werde eine Frau, Moéma, mir zuliebe!« Nein, das funktionierte auch nicht. Sie hatte keine Lust, eine »Frau« zu werden, eine wie ihre Mutter oder all diese anderen verklemmten Erwachsenen, die in ihren Gewissheiten und Eitelkeiten feststeckten. ›Wenn er wüsste, du lieber Gott!‹, dachte sie mit genießerischem Schauder. ›Lesbe und Junkie!‹ Sie stellte sich seine Reaktion vor und hatte zugleich sich selbst vor Augen, im Schlafzimmer mit Thaïs, die Spritzen und das ganze Durcheinander … und ihr Vater platzt ohne Vorwarnung da rein. Er sagt kein Wort, setzt sich aufs Bett, neben sie, und schließt sie in die Arme. Er streicht ihr lange übers Haar, summt eine Melodie, mit geschlossenem Mund, mit einem kehligen Ton, durch den sein Brustkorb vibriert wie ein Trommelfell. Und es wirkt unendlich tröstlich, diesem Wiegenlied zu lauschen, eine Sanftheit, die alle Türen öffnet, alle Hoffnungen. Irgendwann, als die Hingabe am größten ist, sagt ihr

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