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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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    »Mir scheint, es täte dir gut, ein wenig deinen Ignatius zu studieren …«
    Diesem Rate folgend, vertiefte ich mich einige Stunden lang in die Lektüre der
Exerzitien
, die mir ein wenig mehr Milde dem Fürsten gegenüber eingaben, ohne dass sie meine Seele von einer gewissen feindlichen Regung seiner Person gegenüber hätte befreien können. Wütend auf mich selbst, schnürte ich mir einen Bußgürtel um die Leibesmitte; der durch dies segensreiche Gerät bewirkte Schmerz geißelte die Gelüste meines Leibes & befreite endlich meinen Geist, so dass ich beten & dem Himmel ob der mir gewährten Güte danken konnte.
    Selbigen Abends, es war der 18 . Dezember 1637 , fanden wir uns wieder in jenem Salon ein, zum Abendessen. Mein Meister, stets der Mittelpunkt der Plaudereien, glänzte in allen Facetten. Er hatte die sonstige Demut abgelegt und schien Gefallen daran zu finden, mit seinen Kenntnissen zu brillieren & unsere Gastgeber durch männigliche Kuriositäten & saftige Anekdoten zu beeindrucken, die der zufällige Gang des Gesprächs ihm eingab.
    So beteuerte er, höchstselbst mittels ein wenig aus dem Graben gewonnenen Staubes Frösche erzeugt zu haben und gleichermaßen Skorpione, indem er ein aus diesem Insekt geriebenes Pulver in einer Abkochung von Basilikum aufgerührt habe. Ebenso sei es möglich, führte er unter Berufung auf Paracelsus aus, eine Pflanze aus ihrer eigenen Asche wiederauferstehen zu lassen, obwohl dies ungleich schwieriger zu bewerkstelligen sei. Sodann wandte sich das Gespräch den merkwürdigsten Kreaturen zu, die die Natur je hervorgebracht hat, namentlich Drachen, jenen gemeinsamen Nachkommen von Adler und Wölfin. Er sprach von dem kleinen Exemplar, das man im Museo Aldrovandi zu Rom betrachten könne, & von jenem, welches man im Jahre 1619 beobachtet habe, als es von einer Höhle am Berge Pilatus nahe der Stadt Luzern aufflog, doch auch von schier unvorstellbaren Tieren, hervorgebracht von der unausdenklichen Macht von Gottes Schöpfung. So erwähnte Kircher den schlangenschwänzigen Hahn mit Federbüschen auf dem Kopf, eine der Attraktionen des Parco Boboli zu Florenz, die Frucht einer zufälligen Mischung von Samen, sowie den Straußenvogel oder »Struthiocamelus«, dessen Name & Erscheinung bezeugen, dass er der Paarung des Kamels mit einem Flugtier entstammt; den Rhinobatos, Kind von Rochen & den Meerengeln, den Aristoteles erwähnt; sowie allerlei exotische Tiere, deren detaillierte Beschreibungen durch seine Briefpartner in Indien und den beiden Amerikas auf ihn gekommen waren.
    Dann lenkte der Fürst als eifriger Anhänger der Wissenschaften die Diskussion auf die Astronomie & befrug Kircher über die zu jener Zeit derart heftig im Widerstreit liegenden Lehrmeinungen, dass man bereits zu Schwertern und Messern griffe. Mir fiel auf, dass die Fürstin an diesen verzwickten Themen weniger Gefallen zu finden schien, und ich beschloss, mit ihr Konversation zu machen. Da ich wusste, sie selber hatte es mir gesagt, dass sie Gefallen an Musik fand, berichtete ich ihr von den Musikern, die in Rom den Ton angaben, zumal von Girolamo Frescobaldi, den mein Meister & ich regelmäßig in der Lateranbasilika zu hören beabsichtigten. Sie schätzte all diese Komponisten höchlich, dennoch ziehe sie ihnen, so sagte sie, die geistlicheren Werke eines Monteverdi, von William Byrd & zumal des Gesualdo vor, dessen Namen sie nur flüsternd nannte, mit einem raschen Seitenblick hin zu ihrem Gatten. Ich nickte, um ihr zu verstehen zu geben, dass ich die Anspielung verstanden hatte, & bekräftigte sie in ihren Vorlieben, die ich voll & ganz teilte. Diese ästhetische Gemeinsamkeit schien sie zu entzücken, & mit geröteter Wange & glänzenden Auges sog sie meine Worte auf; derart, dass ich meinen unteren Rücken an die hintere Lehne des Stuhls pressen musste, auf dass die Stachel des Bußgürtels mein Fleisch zur Ordnung riefen. Ich beschloss, zu Gegenständen zu wechseln, die meinem Stande eher geziemten.
    »Wie stellt Ihr Euch Gott vor?«, fragte ich sie unumwunden.
    Sie lächelte mich zärtlich an, ohne von der so plötzlichen Frage überrascht zu wirken & als erkenne sie klar meinen Antrieb dazu.
    »Ich kann ihn mir nicht vorstellen«, antwortete sie fast allsogleich, »das heißt, ich vermag ihn nicht als dem Menschen ähnlich oder sonst irgend menschlich zu sehen. Ich erkenne wohl, dass es einen Gott gibt, denn sonst müssten ja sowohl ich als auch was mich umgibt

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