Wo Träume im Wind verwehen
Firmament.
»Sie hat den Kindern Angst eingejagt und ihnen eine Schauergeschichte von einem Haustier erzählt, das sie als kleines Mädchen hatte.«
»Eine Schauergeschichte? Von einem Tier?«
»Ein Ungeheuer, das ihre Katzen massakriert hat und in der Lage gewesen wäre, meine Mutter im Schlaf umzubringen. Ich würde meinen, das reicht für mehrere Albträume.«
»He, die Geschichte kenne ich ja gar nicht.«
»Arme Mom. Sie kapiert es einfach nicht. Es ist immer das Gleiche. Sie will etwas richtig machen, weiß aber nicht, wie. Das wusste sie nie.«
»Sie lebt in ihrer eigenen Welt.«
»Sie ist so versessen darauf, geliebt zu werden, dass sie das genaue Gegenteil bewirkt.«
»Ihr mangelt es offenbar an Vertrauen.«
»Ich weiß nicht … mein Vater war nicht der Typ, dem man trauen konnte. Alles andere als ein Ausbund an Treue.«
»Ich meinte Selbstvertrauen. Sie hat das Herz auf dem rechten Fleck, aber sie sollte auf ihren Instinkt hören. Sie sagte, sie hätte nicht zulassen dürfen, dass euer Vater euch auf die Jagd mitnimmt.«
»Da wäre ihr Vertrauen aber auf eine harte Probe gestellt worden«, erwiderte Clea trocken. Statt ihrem Mutterinstinkt zu folgen, hatte Augusta ihrem Mann jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Wie war das möglich gewesen?
Peter und Clea saßen schweigend da. Clea fühlte sich schläfrig, eingelullt von Peters Hand, die ihr über das Haar strich, und dem leisen Planschen ihrer Kinder, die im Pool spielten. Sie konnte sich im Mitleid für ihre Mutter verlieren. Es musste schlimm sein, abgeschottet von der Wahrheit durchs Leben zu gehen, sich so sehr vor den eigenen Gefühlen zu fürchten, dass es einem nicht einmal gelang, seine Kinder zu beschützen.
»Möchtest du eine Runde schwimmen?«, fragte Peter.
»Nein danke. Ich fühle mich auch so entspannt. Ich habe keine Lust, meinen Badeanzug anzuziehen.«
»Schau nur!«
»Was?«
»Wie sicher Maripat seit diesem Sommer im Wasser wirkt. Weißt du noch, wie viel Angst sie früher hatte?«
»Sie wollte nie ans tiefe Ende.« Im vergangenen Jahr, als der Swimming-Pool gebaut worden war, hatte Maripat stundenlang auf den geschwungenen Stufen gesessen. Dann hatte sie sich am Rand festgeklammert, während sie rund ums Becken paddelte. Sie schwamm nur einmal quer durch das Becken, wenn sich ihr Vater in Reichweite befand, japsend und mit Todesangst in den Augen.
Doch in diesem Sommer war alles anders gewesen. Clea hatte sie jeden Morgen zum Schwimmunterricht gefahren. Während Mark Fußball spielte oder mit seinen Freunden an den Strand ging, war Maripat stundenlang im Wasser gewesen, hatte Freunde gewonnen und war mit ihrem Lehrer um die Wette geschwommen.
Peter und Clea sahen zu, wie ihre Tochter aufhörte, ihren Bruder nass zu spritzen, aber nicht weil sie Angst hatte oder auf seine Hilfe angewiesen war. Sie schwamm alleine, gedankenverloren, kam mit ihren starken Schlägen überallhin.
»Sie ist eine richtige Wasserratte geworden.«
»Ja«, sagte Clea stolz. Sie hatte alles getan, um ihrer Tochter zu helfen, ihre Angst zu überwinden. Maripat fühlte sich stark und sicher in einem Element, das zu erobern sie sich vorgenommen hatte. Es war nicht nötig, sie zu zwingen, auf einem Berg alleine zu bleiben, ein Zelt aufzustellen, zu jagen, um etwas zu essen zu haben, oder stundenlang wach zu liegen und zu lauschen, wenn draußen Tiere vorbeistrichen. Es reichte aus zu lernen, wie man sich freischwimmt.
Caroline war außer Atem. Sie hatte den Abend damit verbracht, den Mount Serendipity zu besteigen, auf dem Nordpfad, der von der Granitschlucht steil nach oben führte. Es war stockfinster, eine Nacht, die den Gehetzten entgegenkam. Die Sterne standen über dem Gipfel, zum Anfassen nahe. Auf dem schmalen Grat angelangt, hatte sie im Südosten die Lichter der
Meteor
erspäht, die wie Sterne im Sund funkelten. In den Anblick versunken, hatte sie sich gefragt, wie lange Joe wohl noch hier bleiben würde.
Sie hatte eine Eule entdeckt, die in niedriger Höhe durch die Kiefernwälder flog. Sternenlicht auf ihren kastanienbraunen Schwingen. Geißblatt säumte den schmalen Pfad, und als sie sich an den Abstieg machte, atmete sie tief den berauschenden Duft des Sommers ein. Der Pfad teilte sich auf halber Höhe. Der breitere Weg führte geradewegs zum Black Hall Center. Ohne zu überlegen, schlug Caroline den anderen, schmaleren ein, der eine Biege nach links machte zum Ibis River.
Caroline sah den Fuchs beinahe im selben
Weitere Kostenlose Bücher