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Wo Träume im Wind verwehen

Wo Träume im Wind verwehen

Titel: Wo Träume im Wind verwehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Caroline fühlte sich trotzdem leer und einsam, als hätten sie bereits Tee getrunken und endgültig Abschied genommen.
    »Es ist schön. Es wirkt irgendwie geheimnisvoll.«
    »Wirklich?«
    »Ja.«
    Das Gebälk in Carolines Küche war schiefergrau gebeizt, ein Teil der Wand kürbisfarben gestrichen. Joe ging zum Küchenfenster, wo er eine Dekoration aus sechs Mondschalenmuscheln entdeckte. Er griff in seine Tasche, holte etwas heraus, musterte den Gegenstand, legte ihn dann zu den Muscheln auf das Fensterbrett und warf Caroline einen Blick über die Schulter zu.
    Langsam trat sie näher. Ihr Herz klopfte. In den Muscheln, die im Abstand von acht Zentimetern und in einer schnurgeraden Linie angeordnet waren, spiegelte sich ihr Ordnungssinn wider. Genau Acht Zentimeter von der letzten Muschel entfernt hatte Joe eine Kameenbrosche hingelegt.
    »Sie stammt von der
Cambria«,
sagte er leise. »Sie gehörte Clarissas Mutter.«
    Caroline trat näher, um sich die Brosche anzusehen. Joe nahm sie von der Fensterbank und drückte sie ihr in die Hand. Sie betrachtete die zarte Goldfassung, abgenutzt vom Tragen. Die Kameenbrosche selbst hatte ihren ursprünglichen Glanz bewahrt.
    Gegen das Licht gehalten, sah Caroline, dass die Schnitzerei aus Elfenbein bestand und der Hintergrund durchscheinend und aus blassgrünem Glas war. Die Frau sah würdevoll aus mit ihren ausgeprägten Wangenknochen, der geraden Nase, dem straff zurückgekämmten Haar und dem stolz erhobenen Kinn.
    »Sie hat Ähnlichkeit mit Clea«, sagte Caroline.
    »Sie hat Ähnlichkeit mit dir.«
    Caroline konnte kaum etwas erkennen. Zum zweiten Mal an diesem Abend wischte sie sich die Tränen weg. Sie fühlte sich tief berührt von dem Schmuckstück in ihrer Hand. Die Familie, der es gehört hatte, war ihr ans Herz gewachsen. Sie dachte an Elisabeth Randalls sterbliche Überreste im Seegras, von Wellen umspült. Die Kameenbrosche fühlte sich federleicht an. Sie wirkte zerbrechlich und zart, aber selbst zweihundert Jahre unter Wasser hatten sie nicht zerstören können.
    »Wunderschön«, sagte sie und gab ihm die Brosche zurück.
    »Ich möchte, dass du sie behältst.« Er drückte sie ihr in die geöffnete Hand.
    Verdutzt sah sie Joe an. »Das kann ich nicht annehmen!« Sie räusperte sich.
    »Und warum nicht?«
    »Ist sie nicht von Rechts wegen Teil eines Nachlasses? Gehört sie nicht Clarissas Nachfahren? Oder der Stadt?«
    »Wir haben keine Randalls mehr ausfindig machen können. Und die Stadt … die hat keinerlei Ansprüche.« Er lachte. »Ich bin Schatzsucher, falls du das vergessen hast. Ich habe eine offizielle Genehmigung, den Schatz der
Cambria
zu bergen. Und die Brosche gehört dazu.«
    »Dann solltest du sie für deine Tochter aufbewahren …«
    »Ich habe keine.«
    »Nun, falls du irgendwann eine bekommen solltest.«
    Joe blickte Caroline an. Ein Lächeln spielte um seine Mundwinkel. Er schien sich über die Verlegenheit zu amüsieren, mit der sie ein Geschenk entgegennahm, aber so war sie nun einmal. Weihnachten fühlte sie sich immer unbehaglich, wenn es an ihr war, die Päckchen unter dem Christbaum zu öffnen.
    »Ich kann nicht …« Sie betrachtete die Kameenbrosche in ihrer Hand.
    »Du musst! Ich bestehe darauf!«
    Sie dachte an die vielen Gründe, warum sie nichts von Joe Connor annehmen sollte, an die Wut und den Schmerz, der zwischen ihnen gestanden hatte, an die vorsichtige freundschaftliche Annäherung bis zum Firefly Ball, als er seine wahren Gefühle offenbart hatte.
    »Manchmal ist es großmütiger zu nehmen als zu geben«, sagte er.
    »Wieso das?«
    »Wenn man beispielsweise einem anderen Menschen gestattet, einem das zu geben, was er zu bieten hat. Wenn du immer der Gebende bist, kannst du nicht enttäuscht werden, da du keine Gegenleistung erwartest. Aber das zeigt, dass man mit sich selbst geizt, weil man nicht offen ist, nichts annehmen kann, dem anderen keine Chance lässt.«
    Caroline nickte. Sie dachte an ihren Vater und an sich selbst. Skye hatte Recht gehabt.
    »Das Gleiche behaupten meine Schwestern.«
    »Von dir?«
    »Ja.«
    »Das sagt mein Bruder auch über mich.«
    »Da haben wir etwas gemeinsam. Kluge Geschwister …«
    Sie sah ihn nicht kommen, den Kuss. Plötzlich schlang er seine Arme um sie, zog sie an sich und küsste sie, als hinge sein Leben davon ab. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, streckte die Arme aus und fuhr mit ihren Fingern durch seine zerzausten Haare.
    Der Teekessel begann zu pfeifen.
    Joe trat zur

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