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Wo Träume im Wind verwehen

Wo Träume im Wind verwehen

Titel: Wo Träume im Wind verwehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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brannten, sein Schädel pochte und seine Ohren schmerzten. 
    »Wovon redest du?«
    »Ich weiß, was ich da unter Wasser gesehen habe.« Sams Lächeln verflüchtigte sich ein wenig. Er wollte, dass Joe es aussprach, ihm sagte, dass er seine Meinung geändert und sich zum Bleiben entschieden habe. Dass die Berührung mit dem Tod einen Sinneswandel beschleunigt habe, der bereits in den Anfängen vorhanden gewesen sei, dass er endlich herausgefunden habe, was in seinem Leben wichtig sei.
    »Was denn?« Joe schien keine Ahnung zu haben und auf einen Tipp zu warten.
    »Du hast Black Hall gesagt. Und noch etwas anderes.«
    Joe runzelte die Stirn. »Gleich zu Beginn des Tauchgangs? Bevor ich ins Wrack geschwommen bin?«
    »Ja. Genau.«
    »Ich habe gesagt ›Geh da rüber!‹, ›Warte draußen‹, etwas in der Art. Ich wollte nicht, dass du uns ins Wrack folgst. Das Gold heraufzuziehen ist gefährlich.«
    »Du meinst, du gehst nicht nach Yale?«
    »Das sagte ich bereits, Sam …«
    »Aber ich dachte …« Sams Stimme verklang. Er blickte zum Fenster hinaus. Aus irgendeinem Grund hatte er gehofft, dass Caroline alles ändern würde. Er hatte gesehen, wie liebevoll und fürsorglich Joe in ihrer Gegenwart war, als würde er schließlich doch noch seinen Panzer ablegen, seine Schutzwälle so weit niederreißen, dass er sich verlieben konnte. Sam hatte gedacht, Caroline sei im Stande, ihn zu halten.
    »Ich habe dir gesagt, dass ich kein Lehrer bin. Du bist der Intellektuelle von uns beiden. Ich bin nicht für das Leben an einer Universität, für Forschung und Lehre, für die Arbeit mit Studenten geschaffen.« Joe hielt inne. »Nicht einmal in einer geheiligten Institution wie Yale.«
    Sam nahm seine Brille ab. Sein Kopf hämmerte unerträglich; die Wale waren wieder am Werk. Liebe und Kopfschmerzen, die Gedankenverbindung weckte die Erinnerung an seinen Segelunfall. Er hatte sich zum ersten Mal verliebt und das Mädchen verloren. Zugegeben, er war damals erst zwölf gewesen, aber nun, da er Joe wieder zu verlieren drohte, hatte er das Gefühl, ins Trudeln zu geraten.
    »Sam?« Joes Stimme klang sanft.
    »Was ist?«
    »Es hat nichts mit dir zu tun. Wenn ich jemals auf die Idee käme zu unterrichten, dann nur gemeinsam mit dir.«
    »Ist schon gut.«
    »Wirklich!«
    »Vergiss es, Joe.«
    »Wir werden uns auch so häufiger sehen. Ich verspreche es.«
    »Das sagst du immer.« Sam ließ sich ins Kissen zurücksinken. Er war geschwächt und brauchte Ruhe, das spürte er jetzt. Er besaß nicht einmal die Kraft, so zu tun, als würde es ihm nichts ausmachen, dass Joe sein Vagabundenleben wieder aufnahm, irgendwo auf der anderen Halbkugel sein würde und er ihn nur zu Gesicht bekäme, wenn die Initiative von ihm ausging.
    Sam versuchte zu sagen, dass er müde sei, aber er brachte nicht mehr als ein unverständliches Murmeln über die Lippen.
    »Es ist mir Ernst damit, Sam.« Sams Augen waren geschlossen, doch er spürte, wie sein Bruder ihm die Hand drückte. »Dieses Mal halte ich mein Versprechen.«
     
    Augusta lag in ihrem Bett, zwischen Schlaf und Dämmerzustand hin und her driftend. Sie hatte eine Gehirnerschütterung und zwei Krampfanfälle erlitten – ein gewaltiges Erdbeben und zwei Nachbeben. Ihr Kopf schmerzte wie verrückt, aber sie würde sich nichts anmerken lassen. Caroline saß an ihrem Bett und betrachtete Augusta mit dem klaren, unverwandten Blick, auf den sich die ganze Familie zu verlassen pflegte. Sie zu sehen erfüllte Augusta mit Dankbarkeit, und sie lächelte, obwohl sie ihre Brücke herausgenommen hatte.
    »Caroline.« Die Worte klangen krächzend.
    »Hast du Durst, Mom?«
    »Ein wenig.« Sie ließ zu, dass Caroline den Knopf drückte, um das Kopfteil an ihrem Bett höher zu stellen, und öffnete gehorsam den Mund, als Caroline ihr das Glas an die Lippen hielt und Eiswasser in ihre ausgedörrte Kehle rann. Sie schluckte und öffnete erneut den Mund, um anzudeuten, dass sie mehr trinken wollte.
    Caroline stützte ihr behutsam den Kopf und passte auf, dass nichts aufs Kinn tropfte. Als Augusta genug hatte, tupfte sie ihr die Lippen mit einem Papiertuch ab. Die Liebe in den Augen ihrer ältesten Tochter zu sehen war für Augusta fast unerträglich, hatte sie selbst doch so wenig zu bieten.
    »Wir zwei sind ein Gespann!«
    »Das sind wir«, erwiderte Caroline lächelnd.
    »Ich sehe furchtbar aus. Zahnlos und kahl.« Es war eine Feststellung. Augusta war zu müde, um eitel zu sein. Sie hatten ihr den Schädel

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