Wo Träume im Wind verwehen
rasiert, um die Platzwunde zu nähen, und ihr fehlte die Kraft, um die Brücke einzusetzen. Sie wollte nur eines: schlafen.
»Du bist auch so schön, Mom.«
Augusta schüttelte den Kopf, aber das Kompliment tat ihr gut, und sie fühlte sich gleich besser.
»Was ist mit Skye? Hast du sie heute schon gesehen?«
»Es geht ihr gut.«
Augusta nickte, den Blick abwendend.
»Was ist, Mom?«
»Ich habe nicht das Recht, danach zu fragen. Ihr seid schon lange flügge, seit wir euch auf die Universität geschickt haben. Wie komme ich nur auf die Idee, ich könnte euch jetzt ins Nest zurückholen?«
»Wir?«
»Dein Vater und ich.«
»Ach Mom. Das klingt ja, als hättest du uns im Pfandhaus versetzt.«
Augusta wartete darauf, dass Caroline fortfuhr, aber sie tat es nicht. Warum sollte sie auch? Das Schweigen war ihre Art, der Wahrheit zuzustimmen. Augusta war eine selbstsüchtige Mutter gewesen, unwillig und unfähig, ihren drei Töchtern dabei zu helfen, sich den Härten des Lebens zu stellen. Sie hatte sich nur für Kunst und Feste, Liebe, Spaß und den Vater der Mädchen interessiert.
»Mom, sieh zu, dass du wieder gesund wirst. Denk nicht an die schlimmen Dinge. Wir brauchen dich zu Hause.«
»Habt ihr mich jemals gebraucht? Ich wüsste nicht, wozu. Ich war eine Rabenmutter.«
»Das stimmt nicht.« Caroline lächelte. Sie meinte es ehrlich, das sah Augusta. Sie war todmüde, erschöpft von der Anstrengung, wach zu bleiben. Der Schlaf kam unaufhaltsam näher, sie spürte es tief in ihrem Innern.
»Weißt du, ich liege hier und denke über alles Mögliche nach. Sie haben mir Medikamente zum Schlafen gegeben, aber meine Gedanken kreisen ständig um euch Mädchen, um euren Vater und mich. Ich versuche mir auf alles einen Reim zu machen, warum alles so schief gelaufen ist, als ob irgendein kleines Steinchen im Puzzle fehlen würde.«
»Es ist nicht alles schief gelaufen.«
»Doch. Schau dir nur unser chaotisches Leben an. Und dabei haben wir euch mehr als alles auf der Welt geliebt. So viel ist zumindest sicher. Euer Vater hat verzweifelt versucht, euch zu beschützen. Und als sich herausstellte, dass er das nicht konnte, hat er sich zurückgezogen. Und es gab nichts, was ich dagegen zu tun vermochte.«
Caroline berührte die Stirn ihrer Mutter und glättete die Sorgenfalte.
»Was bringt das? Ich meine, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Was passiert ist, lässt sich nicht mehr ungeschehen machen, Mom. Wichtig ist nur, dass du wieder gesund wirst.«
»Ein kleines Steinchen«, sagte Augusta. »Dann könnte ich mir einen Reim darauf machen.«
Als Joe aus dem Krankenhaus entlassen wurde, wusste er nicht, wohin. Er hatte die
Meteor
an eine Gruppe von Ozeanographen aus Woods Hole verchartert. Sie wollten Wellenanomalien im Atlantik aufzeichnen – die Höhe und Anzahl der Wellen vermessen, in der Hoffnung auf einen gelegentlichen »Ausreißer«. Sie waren bereit gewesen, die
Meteor
in Black Hall zu übernehmen, wollten sie nach Piräus überführen und bei der Überquerung des Atlantischen Ozeans ihre Forschungsarbeit verrichten.
Joe war es mehr als recht. Er war froh, dass die
Meteor
von anderen überführt wurde. Dann blieb ihm noch etwas Zeit, denn er musste erst am 1. Oktober in Griechenland und am 7. auf Mykonos sein. Das Wetter würde bis dahin für seine Zwecke optimal und das Wasser klar sein. Es handelte sich um ein Gemeinschaftsprojekt mit einem Archäologen aus Marseille. Ihre Taucherlaubnis war auf dreißig Tage begrenzt, und die griechische Regierung war bekanntlich nicht sehr flexibel, was Verlängerungen betraf.
Caroline hatte ihn eingeladen, bis zu seiner Abreise bei ihr zu wohnen.
Joe hatte gezögert, nicht, weil er sie nicht liebte oder seine letzten Tage in Neuengland nicht mit ihr verbringen wollte, sondern weil es ihm widerstrebte, sie zu verletzen. Er würde Black Hall den Rücken kehren, sobald Sam genesen war und aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Und das hatte er Caroline auch gesagt. Sie hatte erwidert, das sei ihr klar, doch sie halte ihr Angebot trotzdem aufrecht. Skye befand sich ebenfalls in ihrer Obhut. Da sie nicht wollte, dass ihre Schwester alleine auf Firefly Hill blieb, hatte Caroline sie überreden können, ins Gästezimmer zu ziehen.
Joe und Caroline saßen in der Hollywoodschaukel auf der Veranda. Die Nacht war lau, ein leichter Dunstschleier hing über der Marsch. Caroline trug ein weißes Baumwollkleid. Joe hatte am Ende der Schaukel Platz genommen, und
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