Wo Träume im Wind verwehen
hielt seine Hand. Er lag auf dem Waldweg, und ich erinnere mich, dass seine Augen strahlten und so lebendig aussahen. Lebendig, dieses Wort ging mir nicht mehr aus dem Kopf.«
»Caroline.« Joe war so bewegt, dass er keine Worte fand. Sie hatte sowohl seinen Vater als auch den jungen Mann sterben sehen. Er liebte eine Frau, die teilnahmsvoll und einfühlsam war, und er hatte all die Jahre einen heimlichen Groll gegen sie gehegt, weil sie ihm nicht sofort die Wahrheit gesagt hatte. Der Auslöser dafür, dass ihr Vater sie auf die Jagd geschickt hatte, war sein eigener Vater gewesen. »Wie hieß der junge Mann?«
»Andrew Lockwood.«
»Und Homer gehörte ihm?«
»Ja. Es war ein wunderschöner Tag, und die beiden hatten einen Spaziergang gemacht. Homer wich nicht von seiner Seite. Er leckte ihm das Gesicht, da er wohl dachte, dass es ihm helfen würde. Als sich Andrews Augen schlossen, leckte Homer ihm die Augen. Er ließ nicht von ihm ab.«
Joe betrachtete das weiße Gesicht des Hundes. Er sah ihn vor sich, neben seinem sterbenden Herrn, und wusste, warum Caroline ihn liebte. Und warum der Hund Caroline liebte.
»Wie kommt Skye damit zurecht?«
»Ich weiß es nicht. Es lässt sie einfach nicht los.«
»Glaubst du, sie würde sich bereit erklären, zu einem Treffen der Anonymen Alkoholiker zu gehen?«
Caroline blickte von Joe zu Homer wie jemand, der die Hoffnung verloren hatte, dass sich eine Tragödie abwenden ließ. Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Aber ich bezweifle es.«
»Mir hilft es.«
»Ich wünschte …«
»Was?«
»Ich könnte ihr helfen«, flüsterte Caroline.
»Caroline.«
»Ja?«
»Komm mit mir.«
»Zu dem Treffen? Aber …«
»Nein, nach Griechenland.«
Sie sah erschrocken aus. Dachte sie, das sei wieder ein Scherz wie vorhin? Er schloss sie in seine Arme und blickte ihr in die Augen. »Komm mit mir nach Griechenland.«
»Mit so was macht man keine Scherze.«
»Das tu ich nicht. Sag mir einen Grund, der dagegen spricht.«
»Meine Familie. Ich kann sie nicht im Stich lassen. Und mein Gasthof. Wer soll sich darum kümmern, wenn ich weg bin?«
»Du bist oft verreist, wie jeder weiß. Michele kommt ganz prima ohne dich klar. Und deine Familie …«
Sie wartete. Sie wollte, dass er den Satz zu Ende sprach, dass er sagte: … wird ebenfalls ohne dich zurechtkommen. Aber beide wussten, dass niemand voraussehen konnte, was die Zukunft bereithielt. Das Schicksal machte den Menschen oft einen Strich durch die Rechnung, und es war eine Illusion zu glauben, es abwenden zu können. Auch wenn man direkt neben der eigenen Schwester stand, vermochte man nicht zu verhindern, dass sie einen Menschen tötete oder dass andere schlimme Dinge geschahen.
»Deine Familie weiß, dass du sie liebst. Und außerdem kommst du ja wieder.«
»Ja?«
»Ja. Ich werde mich mit den Leuten in Yale in Verbindung setzen. Nicht in diesem Herbst, aber vielleicht nächstes Jahr. Ich denke dabei auch an Sam. Wenn ich dich mit deiner Familie sehe, habe ich den Wunsch, meine Beziehung zu ihm zu verbessern. Ich bin viel zu lange davongelaufen.«
Caroline lehnte sich an die Frühstücksbar und sah Homer an, der sich auf eine alte blaue Decke in der Küchenecke zurückgezogen hatte. Er hatte sie nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen, und angesichts ihrer unverhofften Aufmerksamkeit wedelte er heftig mit dem Schwanz. Caroline beugte sich hinunter, um ihn zu streicheln, und griff dabei in eine Falte der Decke. Sie zog ein kleines Handtuch hervor, zerrupft von vielen spielerischen Schlachten. Homer packte es an einem Ende, während Caroline das andere Ende festhielt.
»Mein Vater hat damit angefangen«, sagte sie und zerrte an dem Handtuch.
»Tatsächlich?«
»Ja. Als er zu uns kam, war er völlig verängstigt. Er winselte ständig und wollte die Spielsachen nicht anrühren, die wir ihm besorgt hatten, Bälle, Knochen und so. Dann gab ihm mein Vater ein altes Handtuch. Es war weich, und ich schätze, es roch wie wir.«
»Homer gefiel das Spiel?« Joe überlegte, was das Ganze wohl mit Griechenland zu tun haben mochte.
»Ja. Und wie. Er schleppte das Handtuch überall mit sich herum, und als das erste zerkaut war, schenkten wir ihm ein neues. Am liebsten spielte er damit mit meinem Vater.« Sie hielt inne und blickte Joe an. »Meinem Vater hat es auch Spaß gemacht. Bis er krank wurde. Dann hörte alles auf.«
»Krebskrank, meinst du?«
»Nein. Die Krankheit, die ihn veranlasste, zu trinken und sich
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