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Wo Träume im Wind verwehen

Wo Träume im Wind verwehen

Titel: Wo Träume im Wind verwehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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unscharf wie unter Wasser sah.
    Irgendjemand betrat sein Zimmer. Eine kleine, dicke Nonne. Ein Gnom, so breit wie hoch. Sam tastete nach seiner Brille, um sie genauer in Augenschein zu nehmen. Die Nonne hatte eine sehr tiefe Stimme.
    »Zum Teufel, wieso sitzt du im Bett?«, fragte die Stimme. Es war Joe.
    »Die Schwester hat gesagt, dass ich das darf.«
    »Blödsinn. Du sollst in den nächsten vierundzwanzig Stunden flach auf dem Rücken liegen.«
    »Mal sehen, wer das sagt.« Sam setzte die Brille auf, sie unter den Verband klemmend. Es war wirklich sein Bruder, der in einem Rollstuhl saß »Du solltest längst im OP sein, damit sie dir den Arm richten.«
    »Schon passiert, Schlauberger. Gleich heute Morgen. Deshalb muss ich in diesem Ding sitzen. Um ein Kentern zu verhindern.« Er stand auf, reckte sich und schob den Rollstuhl beiseite. »Wie fühlst du dich?«
    »Großartig. Und du?«
    »Großartig.«
    Die Brüder lächelten angesichts der Lüge. Noch immer fassungslos, dass sie dem Tod in letzter Minute von der Schippe gesprungen waren, blicken sie einander an.
    Der Händedruck, der folgte, artete in einer ungeschickten Umarmung aus. Sie waren bandagiert und mit blauen Flecken übersät, hatten offene Brüche und waren genäht worden. Sie wären um ein Haar gestorben, um den anderen zu retten. Sie machten mit ihren Blicken Bestandsaufnahme, um sich zu vergewissern, dass der andere noch an einem Stück war.
    Sam schluckte, er hatte einen Kloß im Hals. Joes Arm war von oben bis unten bandagiert und in einer Schlinge ruhig gestellt. Selbst im OP -Hemd sah er wie ein ganzer Kerl aus, ein Nimbus, den Sam nicht einmal in seinen wildesten Träumen zu erreichen vermochte. Eine hübsche blonde Krankenschwester kam herein, um Sams Blutdruck zu prüfen, doch als sie seinen Bruder erblickte, trat sie zu ihm und rückte Joes Schlinge zurecht. Joe stand reglos und mit einem schiefen Grinsen da. Seine forsche Miene sollte verbergen, dass er den Tränen nahe gewesen war.
    »Sie sollten doch im Rollstuhl sitzen!«, schalt die Schwester lächelnd, wobei sie zwei Grübchen sehen ließ. Sie zog Joe an der Hand, der zusammenzuckte. »Dass Sie heute Morgen keine Vollnarkose bekommen haben, bedeutet nicht, dass Ihr Körper nicht geschwächt ist. Also, hinsetzen!«
    Joe schüttelte den Kopf. Er tat das freundlich, aber in seinen blauen Augen war unmissverständlich zu lesen: Raus mit Ihnen. Die Schwester errötete, tätschelte ihm den Arm und vergaß, weshalb sie gekommen war.
    »Also?« Sam sah ihr nach, als sie den Raum verließ. »Was wolltest du mir Wichtiges sagen, bevor das Wrack zusammengekracht ist?«
    »Dir sagen? Ich habe mich bei dir bedankt, weil du mir dein Mundstück geben wolltest.«
    »Nein, davor. Bevor du dich um ein Haar mit deinem Luftschlauch stranguliert und versucht hast, den Hai niederzuknüppeln. Übrigens, das war ein Schwarzspitzenhai. Ein Riffhai, den man in nördlichen Gewässern selten findet, aber er stellt keine Gefahr für den Menschen dar.«
    »Der Hai war gefährlich. Er gehört zu einer der Spezies hier in der Gegend.«
    »Das war ein Schwarzspitzenhai!«
    »Der dir an die Gurgel gegangen wäre.«
    Sam schüttelte den Kopf. »Völlig harmlose Art. Aber trotzdem danke.«
    »Immer diese Biologen. Gern geschehen. Und danke für die Luft.«
    »Nichts zu danken. Also?« Sam atmete tief ein. Er sah Joe wieder vor sich, unmittelbar bevor er in das Wrack hineingeschwommen war. Er hatte Wasser getreten, von einem Ohr zum anderen gegrinst und mit den Lippen das Wort Black Hall geformt. In den ersten Stunden nach dem Unfall, als er vor sich hin dämmerte, hatte sich Sam wie ein Ertrinkender an den Gedanken geklammert, dass diese Worte seines Bruders ein Versprechen enthielten.
    Nicht nur sein Körper befand sich auf dem Weg der Besserung, sondern auch sein Gedächtnis. Er war überzeugt, dass Joe versucht hatte, ihm etwas zu sagen. Er hatte Yale gemeint und nicht nur Black Hall. Er hatte beschlossen, die Schatzsuche aufzugeben, in Neuengland zu bleiben, in der Nähe von Caroline und Sam. Sam merkte, wie er grinste, und war machtlos dagegen.
    »Wann wolltest du es mir sagen?«
    »Dir was sagen?«
    »Das mit Caroline.«
    Joe wurde rot. Er versuchte ein Lächeln zu unterdrücken, was ihm aber misslang. Er nickte betont beiläufig. »Ach so.«
    »Liebst du sie?«
    »Ja.«
    »Und du ziehst mit ihr zusammen?«
    »Was?« Das Lächeln verschwand.
    »Black Hall.« Sam grinste jetzt so breit, dass seine Schläfen

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