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Wo Träume im Wind verwehen

Wo Träume im Wind verwehen

Titel: Wo Träume im Wind verwehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Alkohol beflügelt schließlich die Phantasie, wie Sie sicher wissen! Mein Gott, konnte Hugh ’ne Menge vertragen! Skye hat auch in dieser Hinsicht viel von ihm geerbt, vielleicht zu viel. Wenn sie sich nur mäßigen würde …«
    »Wie bitte?«, sagte Dr. Henderson.
    »Vielleicht können Sie ihr ja klar machen, dass es besser wäre,
in Maßen
zu trinken«, meinte Augusta aufgeräumt, dem Arzt ihre Problemlösung auf dem Silbertablett servierend. »Auf halbe Sachen lassen sich die Renwicks nicht gerne ein …«
    »Mom!«, unterbrach Caroline ihre Mutter, in der Hoffnung, sie zum Schweigen zu bringen.
    »Ich glaube, Mäßigung würde Skye gut tun. Wenn Sie den Alkoholkonsum nur ein wenig einschränken könnte. Ich meine, sich mit Cocktails und Wein zum Abendessen begnügen. Findet ihr nicht auch?« Augusta sprach mit dem Arzt, als beriete sie sich mit einem Kollegen über einen Fall.
    »Ich fürchte, das reicht nicht aus«, entgegnete Dr. Henderson.
    »Wie bitte?«
    »Mäßigung hat selten die gewünschte Wirkung bei Alkoholikern. Der einzige Weg ist vollständige Abstinenz.«
    »Skye ist keine …
Alkoholikerin«,
protestierte Augusta schockiert und gekränkt.
    Sich bei Caroline und Clea unterhakend, funkelte sie den Arzt wütend an. Im Kreis ihrer Familie fühlte sie sich sicher. Er sollte sehen, dass die Renwicks Menschen waren, die wie Pech und Schwefel zusammenhielten. Er sollte begreifen, dass sie bei aller Exzentrik nicht verrückt, nicht aus dem gleichen Holz wie Alkoholiker geschnitzt waren. Sie hatten schlimme Zeiten durchgemacht, aber an solchen Herausforderungen waren sie gewachsen. Caroline litt mit ihrer Mutter. Sie wusste, dass sie verletzlich war und sich große Sorgen um Skye machte.
    »Gestern Nacht hat Ihre Tochter mir etwas von einem Jagdunfall erzählt«, sagte Dr. Henderson.
    »Dann wissen Sie ja Bescheid«, erwiderte Clea, die Peters Hand hielt.
    In diesem Augenblick ertönte der Piepser des Arztes. Er blickte entschuldigend in die Runde, schüttelte Augusta zum Abschied die Hand und eilte den Gang entlang. Alle schauten ihm nach. Caroline hatte erwartet, dass ihre Mutter erleichtert über seinen unvermittelten Abgang sein würde, aber sie sah noch blasser aus. Auf ihrer Stirn glänzte ein Schweißfilm.
    »Augusta, setz dich einen Moment hin«, meinte Peter besorgt und führte sie zu einer Sitzgruppe am Ende des Gangs.
    »Es war ein Unfall«, sagte Augusta ruhig, beinahe schicksalsergeben. Tränen liefen über ihre Wangen. Ihre Hände zitterten.
    »Ja, das war es«, stimmte Caroline leise zu.
    »Skye war doch noch ein Kind«, fuhr Augusta zu Peter gewandt, mit weit aufgerissenen Augen fort. »Sie hätte nie eine Schusswaffe in die Hand bekommen dürfen. Habe ich das nicht immer gesagt?«
    »Ja, das hast du, Augusta«, erwiderte er beruhigend.
    »Skye könnte keiner Menschenseele etwas zu Leide tun. Auch dem jungen Mann nicht. Es war ein Jagdunfall, und damit basta! Niemand hat das Recht, etwas anderes zu behaupten, und es wurde nie Anklage erhoben.«
    »Dass Skye kein schlechter Mensch ist, wissen wir. Das behauptet auch niemand«, sagte Caroline.
    »Er hat sie als Alkoholikerin bezeichnet!«
    »Sie trinkt«, entgegnete Caroline.
    »Genau wie Dad«, fügte Clea hinzu. »Er hat damit angefangen, nachdem es passiert war.«
    »Es war ein Unfall, eine Tragödie, die sich vor langer Zeit ereignet hat. Aber das ist kein Grund, weshalb Skye ein Leben lang dafür büßen sollte.« Verwirrt blickte sie Caroline an. »Oder?«
    Caroline schüttelte den Kopf. Sie sah den jungen Mann wieder vor sich. Sie hatte den Schuss gehört und Skyes Aufschrei, und sie war als Erste zur Stelle gewesen. Es war Herbst, ein herrlicher Tag mit strahlend blauem Himmel und gelbem Laub, das den Waldweg bedeckte. Er lag auf der Erde, Blut floss aus der Wunde in seiner Brust. Seine Augen waren hell und klar. Sein Name war Andrew Lockwood, und er war fünfundzwanzig Jahre alt.
    »Dann sag mir, warum!« Augusta blickte Caroline an. Caroline erinnerte sich, dass sie ihre Jacke ausgezogen und sie auf das Einschussloch gepresst hatte. Sie spürte noch heute sein heißes Blut, sah die unausgesprochene Frage in seinen Augen und hörte Skye, die wie ein kleiner Vogel mit hoher monotoner Stimme stammelte: »Was habe ich getan, was habe ich getan.«
    »Warum? Weil sie ihn getötet hat, Mom«, erwiderte Caroline leise. »Nicht absichtlich, aber das spielt keine Rolle.«
    7. Januar 1977
Lieber Joe,
ich erinnere mich an einen Brief,

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