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Wo Träume im Wind verwehen

Wo Träume im Wind verwehen

Titel: Wo Träume im Wind verwehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Seemöwe. Ich hab ihn neulich in meinem Boot mitgenommen, und meine Mutter hat die Küstenwache gerufen. Sie hat sich große Sorgen gemacht, weil er nicht schwimmen kann (er ist ungefähr so groß wie eine Flunder), aber sie hat keine Ahnung. Der Kleine liebt das Wasser. Und Boote auch. Ich schwöre Dir, er wollte rudern.
    Bis bald
Joe

[home]
    4
    M om gibt zu, dass Skye zu viel getrunken haben könnte«, sagte Clea stirnrunzelnd. Sie war am gestrigen Abend, während Caroline am Bett ihrer Schwester gewacht hatte, zu Hause bei ihrer Familie geblieben, wenngleich telefonisch erreichbar. Deshalb hatte sie nun ein schlechtes Gewissen, wie man ihrem Ton entnehmen konnte, der eine Spur zu forsch war.
    »Was heißt hier zu viel! Spricht sie von einem Fingerhut Wodka?«, sagte Caroline.
    Es war noch früh am Tag, und sie befanden sich auf dem Weg nach Firefly Hill, um Augusta abzuholen und mit ihr ins Krankenhaus zu fahren. Clea saß am Steuer des Volvo, und als sie die Landzunge umrundeten, fiel Carolines Blick auf die großen weißen Schiffe am Horizont. Sie erinnerten sie an Skyes letzte Worte in der vergangenen Nacht.
    »Hast du Skye erzählt, dass Joe Connor hier war?«, fragte Caroline.
    »O mein Gott, ja! Warum?«
    Caroline verschlug es vor Entrüstung die Sprache. Sie fühlte sich müde und ausgelaugt, nachdem sie die Nacht im Krankenhaus verbracht hatte. Sie hasste solche Dreiecksgeschichten unter Geschwistern, wenn zwei beispielsweise etwas wussten, was die Dritte nicht erfahren durfte. Wenn sie Clea unter dem Siegel der Verschwiegenheit etwas anvertraute und Skye es ihr kurz darauf unter die Nase rieb. Oder wenn sie Skye etwas erzählte und Clea zwei Stunden später anrief, um ihr die große Neuigkeit mitzuteilen. Geheimnisse unter Schwestern waren bedenklich und selten zu bewahren.
    »Weil sie auf dem Weg zu ihm war«, sagte sie schließlich beherrscht.
    »Wie bitte?«
    »Sie meint, wenn sie nicht geboren wäre, wäre das alles nicht passiert.«
    »Sie war betrunken. Ich dachte, sie würde sofort zu Bett gehen. Als sie mich nach Joes Schiff fragte … Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass sie sich ins Auto setzt. Der Gedanke, dass ich an ihrem Unfall schuld bin, ist mir unerträglich.«
    »Mach dir keine Vorwürfe, Clea.«
    »Ich kann aber nicht anders. Ich hätte sie davon abhalten müssen, einfach den Hörer aufzulegen. Oder sie dazu bringen müssen, Mom an den Apparat zu holen.«
    »Schuldgefühle bringen nichts, wie wir wissen. Also hör auf damit.«
    Sie waren auf Firefly Hill angekommen. Die Schwestern blieben im Wagen sitzen, blickten auf die Eingangstür und fragten sich, in welcher Stimmung ihre Mutter wohl war. Würde sie den Krankenbesuch nach allen Regeln der Kunst inszenieren, mit Inbrunst und einem Strauß frisch geschnittener Löwenmäulchen aus dem eigenen Garten? Oder würde sie die Leidende mimen und sich auf ihre Arthritis oder Migräne konzentrieren, um nicht wahrhaben zu müssen, dass es mit ihrer jüngsten Tochter rapide bergab ging?
    Die ersten Sonnenstrahlen lugten durch die hohen Schleierwolken, die den Himmel bedeckten. Nicht kräftig genug, um dunkle Schatten zu werfen, tauchten sie Haus und Garten in ein allumfassendes gedämpftes Licht. Eine Kaltfront näherte sich, und es wehte ein rauer Wind. Augusta tauchte am Küchenfenster auf. Sie war angezogen und zur Abfahrt bereit. Als sie Clea und Caroline erblickte, winkte sie ihnen munter zu.
    »Auf in den Kampf«, sagte Caroline und öffnete die Wagentür.
    »Habt ihr Homer gesehen?«, rief Augusta und blickte sich suchend um.
    Der alte Hund verschwand von Zeit zu Zeit. Niemand wusste, wo er sich herumtrieb. Oft blieb er stundenlang weg, manchmal sogar die ganze Nacht, aber er kehrte jedes Mal zurück. Caroline verkniff sich eine Antwort; sie wusste, dass gegen Augustas Verteidigungs- und Verdrängungsmechanismen kein Kraut gewachsen war. Schweigend ging sie ihrer Mutter entgegen, um sie mit einem Kuss zu begrüßen. Dann fuhren sie ins Krankenhaus.
     
    Die Klinik war eine Oase der Ruhe und ganz in Blau gehalten. Das Licht im Schwesternzimmer der psychiatrischen Station hatte eine gedämpfte violette Tönung. Monitore blinkten und summten im Gleichtakt. Die Schwester in weißer Tracht, die einen Rollwagen mit Medikamenten durch den Korridor schob, sah aus, als zöge sie im beschaulichen Zeitlupentempo ihre Bahn durch blaue Fluten.
    Am anderen Ende des Gangs erklang plötzlich ein unheimliches, schauriges Heulen, wie von einem

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