Wo Träume im Wind verwehen
drei Ballerina werden. Vielleicht hätten wir Skye ermutigen sollen, Ballettunterricht zu nehmen.«
»Hm.«
»Sie ist immer so selbstkritisch. Sie glaubt, dass ihr das Talent zum Malen fehlt, und seit sie unter einer schöpferischen Blockade leidet, macht sie auch keine Skulpturen mehr. Da wäre es schön, wenn sie in harten Zeiten auf eine andere künstlerische Betätigung zurückgreifen könnte.«
»Primaballerina ist man ganz oder gar nicht, Mom. Darauf kann man nicht nach Lust und Laune zurückgreifen.«
Augusta warf ihr einen raschen Blick zu. Natürlich hatte sie wieder einmal das Falsche gesagt. Wenn die Rede von Skye war, musste sie bei Caroline einen Eiertanz vollführen; sie besaß auch keine Spur Selbstbewusstsein.
Doch plötzlich lächelte Caroline, als hätte sie die Gedanken ihrer Mutter erraten und wollte wieder gutmachen, dass sie ihre Gefühle verletzt hatte. »Ich meine nur, Tanz ist eine Lebensaufgabe, genau wie die Bildhauerei. Man muss sich entscheiden, entweder oder, und kann nicht beides haben. Das sind Tätigkeiten, die einen mit Haut und Haaren fordern.«
»Wie die Liebe zu deinem Vater«, erwiderte Augusta scherzhaft.
Aber Caroline lachte nicht. Sie war verschlossen wie eine Auster, sobald dieses Thema zur Sprache kam. Dabei hatte sie sich immer rührend um ihre Schwestern gekümmert, wenn Augusta ihr diese Pflicht übertragen hatte, in Zeiten, in denen die Beziehung zu Hugh auf Messers Schneide stand. Rückblickend konnte Augusta die Situation nicht genug bedauern, aber eines war gewiss – sie hatte ihre Töchter ebenfalls abgöttisch geliebt. Dieses Wissen gab ihr die Kraft, weiterzumachen.
»Jede von euch hätte es im Ballett zu etwas bringen können«, sagte Augusta. »Vielleicht nicht als Lebensaufgabe, aber ihr hattet schon als Kinder Anmut und Durchhaltevermögen. Ganz zu schweigen von euren Beinen! Euer Vater hat immer gesagt, dass sie schöner sind, als die Polizei erlaubt!«
Kein Kommentar. Augusta stickte weiter, Carolines Schweigen hinnehmend. Alle drei Mädchen waren außergewöhnliche, temperamentvolle Schönheiten; bei Caroline lag die Betonung auf temperamentvoll. Augusta musterte ihre Tochter. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, welche Erziehungsmängel sie ihren missratenen Eltern insgeheim vorwarf.
Caroline war immer auf der Hut gewesen, hatte Angst gehabt, dass ihren kleinen Schwestern etwas Schlimmes widerfuhr, und sie gegen alles und jeden verteidigt. Sogar gegen die eigenen Eltern, dachte Augusta und versuchte sich nicht gekränkt zu fühlen. Caroline, die immer noch aufs Meer hinausblickte, kam ihr wie ein Wächter über das Wohl der Menschen vor, die ihr nahe standen. Ihr Herz flog ihrer Tochter zu, die in ihrem Leben zu wenig Liebe bekommen hatte. Immer war sie damit beschäftigt gewesen, andere zu beschützen.
Sie braucht einen Mann, dachte Augusta. Sie ist schön, aber viel zu ernst mit ihren schwarzen, streng hoch gesteckten Haaren und der Kleidung in den gedeckten Farben von Felsen oder architektonischen Bauwerken – Schattierungen in Granit, Schiefer, Ziegel- oder Sandstein. Als erfolgreiche Geschäftsfrau schüchterte sie zudem alle heiratsfähigen Männer in der Stadt ein. Sie machten einen großen Bogen um sie. In ihrer Freizeit war sie ständig auf Reisen, mehr, als ihr gut tat. Oder sie streifte durch die Wälder – alleine.
»Sag mal, Caroline, was gibt es da draußen eigentlich so Interessantes zu sehen?« Augusta stand auf.
»Schau selbst.« Caroline reichte ihr den Feldstecher und half ihr, ihn unbeweglich vor das rechte Auge zu halten. »So.«
Augusta hielt die Messingröhre in der Hand und blickte hindurch. Sie blinzelte, drehte am Okular und versuchte sich einen Reim auf das zu machen, was sie sah. Ein Stück offenes Meer, ein weiter Kreis, mit ein paar Booten in der Mitte. »Hochseefischer.«
»Nein, keine Hochseefischer.«
Augusta lachte. Sollte das ein Scherz sein? Sie lebte hier, hatte hundertmal am Tag aus dem Fenster geschaut. Sie erkannte Fischerboote auf den ersten Blick. Sie schaukelten in der Dünung am Moonstone Reef und warfen die Angeln aus, in der Hoffnung, Goldmakrelen oder Haie zu fangen. Genau wie Hugh, obwohl er als Sportfischer eher Jagd auf die große Beute im Canyon hinter Block Island gemacht hatte oder im Süden, um die Bahamas oder Key West. Trotzdem betrachtete sie die Boote noch einmal genau. Was war das für eine seltsame Rauchfahne, die wie eine Wasserfontäne emporstieg?
»Was machen die da?«,
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