Wo Träume im Wind verwehen
unerträglich. Sie versuchte Caroline wegzustoßen, aber Caroline rührte sich nicht vom Fleck. Sie blickte Augusta unverwandt in die Augen.
»Bitte, Mom.« Tränen liefen über Carolines Wangen. »Ich denke dabei nicht nur an Skye, sondern auch an dich. Ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie es dir gehen würde, wenn ihr wirklich etwas passieren würde. Du würdest es nicht ertragen. Du liebst Skye so sehr. Wir sollten endlich an einem Strang ziehen und alles tun, was notwendig ist, um ihr zu helfen. Lass uns den Anfang damit machen, aufrichtig zu sein, ja?«
Augusta holte tief Luft. Sie beugte sich vor und berührte mit ihrer Nasenspitze Carolines. Ihre Blicke trafen sich, und wie immer war Augusta betroffen von dem Glanz, der Seelentiefe und dem Mitgefühl, die sie in Carolines Augen wahrnahm. Hugh hatte diesen Ausdruck eingefangen, ein einziges Mal, in dem Porträt, das er von ihr gemalt hatte, seinem berühmten Bild
Mädchen im weißen Kleid.
Augusta lehnte sich wieder zurück und strich eine rabenschwarze Haarsträhne aus Carolines Stirn. Dann legte sie ihre Stickerei beiseite und erhob sich. Als sie auf Caroline hinabsah, die immer noch kniete, dachte sie an ihre eigene Kindheit zurück, wie sie in die Kirche gegangen war und Gott um Hilfe gebeten hatte. Sie fragte sich, ob ihre Kinder sich wohl an ihre katholische Erziehung erinnerten und hin und wieder beteten. Oder ob sie den Glauben zur gleichen Zeit verloren hatten wie Augusta und Hugh, nach dem Jagdunfall auf dem Redhawk Mountain.
»Euer Vater hat euch geliebt«, sagte Augusta noch einmal und beobachtete Carolines Gesicht. Ihre Miene blieb ausdruckslos. »Die Jagdausflüge entsprachen seiner Art … Er war ein außergewöhnlicher Mann, unvergleichlich, und er zeigte seine Liebe auf seine eigene Weise.«
»Ja.«
»So, und jetzt ist Schluss damit. Wie wäre es mit einem Cocktail? Ich könnte einen gebrauchen.«
Caroline senkte den Kopf. Sie sagte nicht Ja, aber auch nicht Nein, schien darüber nachzudenken. Sie sah andächtig aus, wie im Gebet versunken. Augusta würde zwei Cocktails mixen. Sie tätschelte Caroline unbeholfen den Kopf. Dann ging sie hinaus ins Badezimmer, in dem sich die Bar befand.
Er zeigte seine Liebe auf
s
eine eigene Weise
.
Caroline saß mit Homer auf der obersten Stufe der Felsentreppe, die zum Strand hinunterführte, und dachte an ihren Vater. Auf dem Weg zum Redhawk Mountain war sie der Fährtensucher gewesen. Es wurde von ihr erwartet, dass sie »Nordost« statt »rechts halten« sagte, und wenn sie an eine Kreuzung kamen und in beiden Richtungen nach dem Verkehr Ausschau hielten, sagte sie »Roger!« wie der Copilot nach der Überprüfung der Checkliste vor dem Landeanflug. Sie wusste, was ihm gefiel, und trug gerne ihren Teil dazu bei, ihn glücklich zu machen.
Einmal hatte sie Fieber bekommen. Bei Antritt der Fahrt in die Berge war sie kerngesund und voller Begeisterung gewesen, aber abends, alleine in ihrem Zelt, hatte sie sich krank gefühlt. Ihr Hals brannte wie Feuer, und ihr Kopf pochte. Die Schmerzen reichten bis in die Haarspitzen, und sie hatte Schüttelfrost. Sie war fünfzehn, und wenn sie zu Hause krank wurde, wusste sie sich durchaus zu helfen, aber da draußen in der Wildnis hatte sie Angst gehabt. Sie hatte geweint und gewartet, dass endlich die Sonne aufging.
Ihr Vater hatte sie gehört. Er kam in ihr Zelt, fühlte ihre Stirn und wiegte sie in den Armen. Da sie immer in weit voneinander getrennten Zelten übernachteten, hatte sie gedacht, sie sei ganz allein auf sich gestellt. Dass ihr Vater kam, wenn sie ihn brauchte, überraschte sie, und in ihrem fiebrigen Zustand weinte sie deshalb noch mehr.
»Du bist krank, Liebes«, sagte er. »Wir müssen sofort nach Hause zurück.«
Er packte sie warm ein und befahl ihr, sich nicht von der Stelle zu rühren, während er ihre Schwestern holte. Caroline wartete, unfähig, ihr Glück zu fassen. Sie war nicht daran gewöhnt, dass jemand sie umsorgte. Die Jagdausflüge waren eine gute Gelegenheit, mit ihrem Vater zusammen zu sein, aber sie hatte ihn nie so geliebt wie in dem Augenblick, als er sagte, dass sie nach Hause zurückkehren würden. Er wusste, dass sie krank war und was sie brauchte.
Während ihre Schwestern die Zelte abbauten, trug er Caroline zum Auto. Er startete den Motor, schnallte sie auf dem Beifahrersitz an und fühlte ihre Stirn, um zu sehen, ob das Fieber heruntergegangen war. Er war aus hartem Holz geschnitzt, seine grauen Augen
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