Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wo Träume im Wind verwehen

Wo Träume im Wind verwehen

Titel: Wo Träume im Wind verwehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
Vom Netzwerk:
hatte ich vergessen.« Caroline sah zu, wie Homer eine Kuhle in den kühlen Sand buddelte und sich hineinlegte. »Wie hießen die drei gleich wieder?«
    »Der Kapitän hieß Nathaniel Thorn, die Frau Elisabeth Randall und das kleine Mädchen Clarissa.« Maripat hielt inne, ihre Augen leuchteten. »Und das ist ihr Tagebuch!« Sie klopfte auf das Buch.
    »Wessen Tagebuch?«
    »Clarissas! Eine alte Frau – ihr Mann war bei der Küstenwache und wohnte im Leuchtturm – fand das Tagebuch und ließ es drucken. Ich würde meine Mutter umbringen, wenn sie auf so eine Idee käme! Aber wir mussten es in der Schule lesen, und als Mom von deinem Schatzsucher erzählte, dachte ich: Oh, das wäre was für ihn. Lies mal.«
    Gemeinsam schlugen sie das Tagebuch auf, und Caroline las den ersten Eintrag.
    19. Juli 1769
Heute habe ich einen gestrandeten Finnwal gefunden. Er war größer als ein Rettungsboot und hatte die gleiche Farbe wie die Felsen unserer Insel; er war an der Südküste angeschwemmt worden und starrte mit weit geöffneten Augen in den Himmel. Mama und ich haben stundenlang versucht, ihn wieder ins Wasser zu ziehen, bis es dunkel wurde. Wir haben ihn mit Meerwasser nass gehalten, das wir mit dem Feuerlösch-Eimer geholt haben, weil Mama gemeint hat, dass er stirbt, wenn die Haut austrocknet. Sie hat gesagt, dass ich dabei auf das Spritzloch aufpassen muss, weil er da durch atmet, und wenn Wasser hineingelangt, kann er ertrinken. Es hat lange gedauert, bis die Flut endlich kam! Heute habe ich Muskelkater in den Armen, weil die Wassereimer so schwer waren und weil wir ihn am Schwanz von den Felsen herunterziehen mussten. Aber es hat sich gelohnt. Mama und ich haben zugesehen, wie unser Wal wegschwamm, als die Flut endlich voll da war und ein dicker orangefarbener Vollmond über dem Wasser aufging.
    »Ich mag sie«, sagte Maripat. »Du nicht auch? Ich finde, sie ist cool.«
    »Und ob.« Caroline war gerührt, dass ihre Nichte sich die Mühe gemacht hatte, ihr Clarissas Tagebuch zu bringen. »Dieses Tagebuch gab es noch nicht, als ich in die dritte Klasse ging.«
    »Vielleicht war es damals noch nicht gedruckt«, sagte Maripat entgegenkommend. »Hast du mit Mom und Tante Skye schon einmal einem gestrandeten Finnwal das Leben gerettet? Gab es damals viele in unserer Gegend?«
    »Nein, haben wir nicht.« Caroline lächelte. Es versetzte ihr einen Stich, dass Maripat dachte, ihre Mutter und Tanten hätten damals gelebt, in der guten alten Zeit, in der spannende Geschichten geschrieben wurden wie die von Clarissa Randall und Finnwale so häufig im Wasser anzutreffen waren wie Elritzen.
    »Wirst du dem Mann das Tagebuch zeigen?«
    »Welchem Mann?«
    Maripat deutete auf das Meer hinaus. Sie schien ein Lächeln zu unterdrücken, und Caroline fragte sich, was Clea ihr über Joe erzählt haben mochte. »Ihm.«
    »Hm, jetzt, da du es sagst … möglich wär’s.«
    »Er ist da unten im Schiffswrack. Ich finde, er sollte etwas über die Leute wissen, die was damit zu tun hatten«, sagte Maripat altklug.
    »Ja, da hast du Recht. Vielleicht leihe ich es ihm, wenn ich es gelesen habe. Hast du es aus der Bücherei?«
    »Aus der Schulbücherei. Die ist eigentlich nur für Schüler, aber ich darf es bis September behalten. Ich hab es für dich mitgenommen«, erklärte Maripat verlegen, aber stolz.
    »Danke, das finde ich sehr nett von dir.«
    »Er war bestimmt wie ein Bruder für dich«, fuhr Maripat errötend fort. »Ihr wart doch Brieffreunde, oder?«
    »Gewissermaßen, aber das ist lange her.« Caroline spürte, dass Maripat gerne weitere Fragen gestellt hätte. Ihre Nichte kam aus einer intakten Familie, ihre Eltern waren seit langem glücklich miteinander verheiratet, und die problematischen Beziehungen ihrer beiden Tanten zur Männerwelt schienen sie zu faszinieren. Exehemänner, stürmische Liebesaffären und zerbrochene Jugendfreundschaften interessierten sie brennend und stachelten ihre Neugierde an.
    »Wo ist deine Mutter?«, fragte Caroline.
    »Oben«, Maripat warf einen flüchtigen Blick auf das Haus.
    »Komm, lass uns zu ihr gehen.«
    Gemeinsam warteten sie, bis sich Homer hochgerappelt hatte. Caroline ging zur Wasserlinie hinunter, wo der Sand fester und das Laufen für ihn einfacher war. Eine Fliege umkreiste summend seine Nase, und es stimmte sie traurig, dass er sie ignorierte. Früher hätte er sie gejagt und nach ihr geschnappt.
    »Armer Homer«, sagte Maripat. »Das Gehen fällt ihm schwer.«
    »Er ist über

Weitere Kostenlose Bücher