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Wo Träume im Wind verwehen

Wo Träume im Wind verwehen

Titel: Wo Träume im Wind verwehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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sich durch einen dunklen Tunnel aus Schierlingstannen und uralten Eichen, deren Geäst über ihren Köpfen einen Baldachin bildete. Klippen ragten zu ihrer Rechten auf, und plötzlich war die Straße von ihrem schützenden Dach befreit. Der Blick ging weit aufs Meer hinaus, das schäumende Wasser tanzte im Sonnenlicht, und Joes Schiff ritt auf den Wellen.
    Eine lange Zufahrt schlängelte sich durch den Wald. Schmiedeeiserne Laternenpfähle, von unheimlich wirkenden Fledermäusen gekrönt, säumten den Weg. Ihr Vater hatte sie bei einem Künstler in Vermont, den er persönlich kannte, in Auftrag gegeben. Sie hatten skelettartige schwarze Schwingen, einige ausgebreitet, andere an den knochigen Körper gepresst; wenn die Laternen brannten, glühten ihre Augen wie Feuer. Hugh hatte sie anbringen lassen, um unbefugte Eindringlinge abzuschrecken und Firefly Hill vor erneutem Unheil zu schützen.
    Caroline spürte ein Flattern im Magen. Was würden sie bei ihrer Ankunft vorfinden? Sie ermahnte sich, Ruhe zu bewahren und sich herauszuhalten. Skye war schließlich eine erwachsene Frau, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen musste. Sie versuchte sich den Anschein zu geben, als wären sie nicht eigens aufgekreuzt, um zu sehen, in welchem Zustand sie sich befand.
    Als sie ankamen, war Skye betrunken.
    Augusta arbeitete an einer Stickerei und machte einen aufgewühlten Eindruck. Simon und Skye saßen auf dem Sofa und blätterten in einem Einrichtungsmagazin. Skye konnte kaum den Kopf aufrecht halten.
    »Hallo«, sagte Caroline entmutigt. Clea stand stumm neben ihr.
    »Skye hat den ganzen Tag in ihrem Atelier verbracht«, meinte Augusta unsicher. Ihre Augen waren gerötet und wirkten gehetzt. Sie sah Skye an, dann wandte sie den Blick ab. Skye hatte eine Flasche Bier hinter das Sofabein geklemmt. Sie beugte sich hinab, blickte Caroline herausfordernd an und trank einen Schluck.
    »Die Arbeit hat ihr gefehlt«, sagte Simon träge.
    »Du hast mir gefehlt, Baby«, flüsterte Skye. »Du und dein großer …«
    Wie betrunken war sie? überlegte Caroline, als sie hörte, wie Skye Simon schlüpfrige Versprechen ins Ohr flüsterte. Es tat ihr in der Seele weh, mit anzusehen, wie ihre schöne Schwester sich derart erniedrigte. Augusta stellte sich taub, doch in ihren Augen lag ein schmerzlicher Ausdruck. Clea atmete so schwer, als wäre sie gerade einen Hügel hinaufgelaufen. Die ganze Familie leidet darunter, dachte Caroline.
    »Skye!«, sagte Caroline scharf.
    Skye schenkte ihr keine Beachtung. Sie fuhr fort, Simon zu kitzeln, und flüsterte ihm anzügliche Worte ins Ohr, eine Spur zu laut.
    »Skye, Schluss damit!«
    Skye verzog das Gesicht, als hätte sie jemand geohrfeigt. »Er ist mein Mann!«
    »Dann respektiere ihn und warte mit deinen Bettgeschichten, bis ihr alleine seid.« Die Worte kamen wie aus der Pistole geschossen, so spontan, dass Caroline selbst verblüfft war. Ist das die Wahrheit? dachte sie. Sage ich sie jetzt? Clea drückte ihr ermutigend die Hand.
    Skye errötete. »Ach du liebe Güte!«, rief Simon grollend und verließ den Raum. Aber Augusta wirkte erleichtert. Caroline beobachtete ihre Mutter, sah, wie sich ihr Mund entspannte und die Finger aufhörten unablässig mit den schwarzen Perlen zu spielen.
    »Du bist doch bloß neidisch, weil du selbst keinen Mann hast«, konterte Skye finster.
    »Und du bist widerlich, wenn du trinkst. Weißt du das?«
    »Was hast du heute in deinem Atelier gemacht?«, warf Clea hastig ein, bemüht, Frieden zu stiften.
    Das Schweigen lag drohend im Raum, das Unwetter konnte sich jeden Augenblick entladen. Caroline und Skye funkelten sich wutentbrannt an. Homer stupste Skye mit seiner feuchten Nase. Irritiert streichelte sie ihm den Kopf. Die Unterbrechung schien zu bewirken, dass sie den Streit vergaß. »Was hast du gesagt?«
    »Clea wollte wissen, woran du heute gearbeitet hast. Mom sagte, dass du heute im Atelier warst«, half ihr Caroline auf die Sprünge.
    »Daran«, erwiderte Skye mit einer Kopfbewegung.
    Carolines Blick fiel auf ein Stück Ton, das sich auf einem Tisch neben einer geschliffenen Glasvase befand, prall gefüllt mit Taglilien, Bibernellrosen, Geißblatt, Rittersporn, Gartenwicke und Minze. Ungefähr fünfzehn Zentimeter hoch, erinnerte der Tonklumpen an eine Bergkette mit drei Gipfeln. Skyes Kunstwerke waren in der Regel nicht abstrakt. Die menschlichen Gestalten, die unter ihren Händen entstanden, waren meistens sehr lebendig und emotional, angefüllt mit

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