Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach
klein. Viel kleiner als die Zimmer aller Direktoren, die ich im Lauf meines Lebens gesehen hatte, die hinter der Maske der Höflichkeit ihre Nacktheit zu verstecken versuchten … Hatte sich die Schule derart verändert? … Dabei hatte uns das Direktorat damals, vor allem wenn wir zur Bestrafung einbestellt worden waren, durch seine schiere Größe erschreckt … Ich konnte mich nicht weiter fragen, was sich wohl wirklich verändert hatte. Es reichte, was sich in diesen ein, zwei Momenten zeigte und wahrnehmen ließ … Auch was erweckt und gesagt wurde … Ich verstand … Die Jahre konnten manche Magie ganz langsam zerstören … Ich begrüßte den Direktor mit der hergebrachten Ehrfurcht. Er machte mir ein Zeichen, ich solle mich setzen, und ich setzte mich. Wir begannen französisch zu sprechen. Von einem ehemaligen Absolventen wurde nichts anderes erwartet. Eigentlich hatte ich im Lauf der Jahre mein Englisch stärker entwickelt. Doch tatsächlich hatte ich mich auch vom Französischen nicht entfernt. Ich war öfter in Paris gewesen und sah oft den französischen Sender TV 5, und manchmal las ich auch Le Nouvel Observateur . Mein Sprechen reichte aus, den notwendigen positiven Eindruck zu machen. Das Gespräch begann unvermeidlich mit den Erinnerungen an einige der alten › frères ‹ aus meiner Schulzeit, die der Direktor noch gekannt hatte und die inzwischen alle in eine andere Welt hinübergegangen waren. Dann ging es um einige Fächer und was davon übriggeblieben war … Wir sprachen von der Form der Klassenräume, der Bankreihen. Das war der beste Weg, sowohl ihm als auch mir zu zeigen, daß ich meine Vergangenheit dort nicht vergessen hatte. Daraufhin sagte er, wir könnten auch einen Rundgang durch die Schule machen. Doch zuerst müßten wir einen Mokka trinken. Ich sagte, ich nähme sein Angebot gerne an. Die Aufregung, nach all den Jahren jene Korridore und Klassenzimmer wiederzusehen, war nicht gering einzuschätzen. Er war wirklich höflich und nett. Diese Seite an ihm konnte ich in dem Moment noch deutlicher erkennen. Was ich sah, gab mir nach dieser gegenseitigen Kennenlernphase das Vertrauen, meine Geschichte zu erzählen. Ich mußte das Vergangene nicht lange ausbreiten. Es reichte, daß ich von dem Erfolg erzählte, den das ›Stück‹ gehabt und wie es uns zusammengeschweißt, uns zu einer ›Truppe‹ gemacht hatte. Daß ich versuchte, diese Menschen, die an unterschiedliche Orte gegangen waren, wieder zusammenzubringen. Daß wir aufs neue auf die Bühne treten wollten. In jeder Hinsicht aufs neue … Ich erbat mir von ihm diese Bühne für einen einmaligen Auftritt. Sollte er die Erlaubnis geben, würde sich dieser Traum erfüllen. Er hörte meine Darstellung geduldig an, und auf seinen Lippen zeigte sich ein Lächeln, so als bereite ihm das Gehörte großen Spaß. Als er merkte, daß ich geendet hatte, sagte er, ohne eine weitere Frage zu stellen oder eine weitere Erklärung zu verlangen, daß er gegenüber diesem Traum, zumal er mit dieser Schule zu tun habe, gewiß nicht gleichgültig bleiben könne. Doch könne er uns den Theatersalon für die Proben und die Aufführung nur am Wochenende zur Verfügung stellen und innerhalb der Woche im Notfall ein- oder zweimal am Abend. Dafür müsse er einen von den Angestellten finden, um uns zu helfen. Ich verstand, worauf er hinauswollte. In angemessenen Worten sagte ich, daß die Arbeit dieses Angestellten nicht unbelohnt bleiben würde und daß er mir in dieser Hinsicht ruhig vertrauen könne. Daraufhin fragte er, wann wir beginnen wollten. Ich konnte kein bestimmtes Datum angeben, lediglich abschätzen, daß ich die ›Truppe‹ etwa in einem Monat versammelt haben würde. Darauf sagte er, dann wären wohl Sommerferien, was unsere Arbeit erleichtern würde. Es gebe kein Problem. Wir würden ja sowieso nur eine Vorstellung geben. Wir könnten auch andere Ehemalige einladen. Er zweifelte nicht, daß uns der Verein der Ehemaligen helfen würde. Auch dieses Angebot war ermutigend. Das Theater lebte vor allem durch seine Zuschauer, das war schließlich die Grundlage seiner Existenz … Seine Begeisterung war nun ganz deutlich zu merken. Dennoch verließ ihn die Besonnenheit nicht. Er fragte, was das für ein ›Stück‹ sei. Ich erzählte ihm, was ich erzählen konnte, vielmehr, was ich in dem Moment erzählen wollte. Die Geschichten von Menschen unterschiedlicher Kulturen dieser Stadt wurden in einer leicht satirischen und zugleich die Gefühle
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